Marienlied
Wenn ins Land die Wetter hängen
Und der Mensch erschrocken steht,
Wendet, wie mit Glockenklängen,
Die Gewitter Dein Gebet,
Und wo aus den grauen Wogen
Weinend auftaucht das Gefild,
Segnest Du′s vom Regenbogen –
Mutter, ach, wie bist Du mild!
Wenns einst dunkelt auf den Gipfeln
Und der kühle Abend sacht
Niederrauschet in den Wipfeln:
O Maria, heilge Nacht!
Laß mich nimmer wie die andern,
Decke zu der letzten Ruh
Mütterlich den müden Wandrer
Mit dem Sternenmantel zu.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Marienlied“ von Joseph von Eichendorff ist eine ergreifende Lobpreisung der Jungfrau Maria und ihrer schützenden, tröstenden Rolle. Es ist in zwei Strophen gegliedert, die jeweils eine spezifische Situation beschreiben, in der Maria als Retterin und Beschützerin angerufen wird. Die erste Strophe konzentriert sich auf die Naturgewalten und die zweite auf das Ende des Lebens und den Übergang in den Tod. Durch die Verwendung von Bildern und Metaphern, die an die natürliche Welt angelehnt sind, erzeugt Eichendorff eine Atmosphäre der Ehrfurcht und des Vertrauens.
Die erste Strophe beschreibt zunächst eine bedrohliche Szene mit „Wetter [die] hängen“ und „Mensch [der] erschrocken steht“. Inmitten dieser Angespanntheit und Gefahr wird Maria mit „Glockenklängen“ angerufen, die die Gewitter abwenden und die Natur wieder ins Gleichgewicht bringen. Die Zeilen „Und wo aus den grauen Wogen / Weinend auftaucht das Gefild, / Segnest Du′s vom Regenbogen – / Mutter, ach, wie bist Du mild!“ veranschaulichen die sanfte, segnende Kraft Marias, die selbst nach dem Sturm Trost und Erneuerung bringt. Der Regenbogen, ein Symbol der Hoffnung und des Bundes Gottes mit den Menschen, unterstreicht Marias milde und tröstende Natur.
Die zweite Strophe verlagert den Fokus auf das Ende des Lebens. Die Verse „Wenns einst dunkelt auf den Gipfeln / Und der kühle Abend sacht / Niederrauschet in den Wipfeln“ beschreiben eine melancholische Abendstimmung, die den Übergang zur letzten Ruhe symbolisiert. Der Dichter bittet Maria um Schutz und Trost für den „müden Wandrer“, eine Metapher für den Menschen auf seiner Lebensreise. Die Bitte, „mit dem Sternenmantel zu“ bedeckt zu werden, unterstreicht den Wunsch nach einem sanften und behüteten Ende, der von mütterlicher Fürsorge begleitet ist.
Insgesamt strahlt das Gedicht eine tiefe Religiosität und ein unerschütterliches Vertrauen in Marias mütterliche Güte aus. Die Naturbilder und die melodische Sprache Eichendorffs verstärken die emotionale Wirkung und erzeugen ein Gefühl von Trost und Geborgenheit. Das Gedicht dient als Gebet und als Ausdruck der Hoffnung auf Schutz und Führung, sowohl in den stürmischen Zeiten des Lebens als auch in den Momenten des Abschieds. Es ist ein Loblied auf die Gnade und Barmherzigkeit Marias, das bis heute Leser und Zuhörer berührt.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.