Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , ,

Mandelkerngedicht

Von

einer verlorenen Wette

Zwischen Akten, dunklen Wänden
bannt mich Freiheitbegehrenden
nun des Lebens strenge Pflicht,
und aus Schränken, Aktenschichten
lachen mir die beleidigten
Musen in das Amtsgesicht.

Als an Lenz und Morgenröte
noch das Herz sich erlabete,
o du stilles heitres Glück!
Wie ich auch nun heiß mich sehne.
Ach, aus dieser Sandebene
führt kein Weg dahin zurück

Als der letzte Balkentreter
steh‘ ich armer Enterbeter
in des Staates Symphonie,
ach, in diesem Schwall von Tönen
wo fänd ich da des eigenen
Herzens süße Melodie?

Ein Gedicht soll ich euch spenden:
Nun, so geht mit dem Leidenden
nicht so strenge ins Gericht!
Nehmt den Willen für Gewährung.,
kühnen Reim für Begeisterung,
diesen Unsinn als Gedicht !

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Mandelkerngedicht von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mandelkerngedicht“ von Joseph von Eichendorff, das er als Reaktion auf eine verlorene Wette verfasst hat, zeichnet ein Bild der Entfremdung und des Verlusts von Jugendlichkeit und Freiheit. Der Dichter fühlt sich in der nüchternen und reglementierten Welt der Bürokratie gefangen, wo er sich nach der verlorenen Unbeschwertheit sehnt. Die ersten Strophen verdeutlichen den Kontrast zwischen der erdrückenden Realität des Amtslebens und den Idealen der Freiheit und Kreativität.

Der Kontrast zwischen der erlebten Vergangenheit und der gegenwärtigen Situation wird durch Bilder von Morgenröte, Lenz und dem stillen, heiteren Glück verdeutlicht. Diese Bilder stehen für die Zeit, in der das Herz des Dichters frei und ungebunden war. Im Gegensatz dazu steht die „Sandebene“ des gegenwärtigen Lebens, aus der es scheinbar keinen Weg zurück in diese verlorene Welt gibt. Die „beleidigten Musen“, die aus den Aktenschränken lachen, symbolisieren die unterdrückte Kreativität und die Unvereinbarkeit von Kunst und Amtsleben.

Die dritte Strophe intensiviert das Gefühl der Isolation und des Verlusts. Der Dichter sieht sich als „armer Enterbeter“ in der „Symphonie“ des Staates, wo er die eigene „süße Melodie“ seines Herzens nicht mehr finden kann. Diese Metapher verdeutlicht das Gefühl des Individuums, das in der anonymen Masse der Bürokratie untergeht. Der Dichter fühlt sich als Fremdkörper, der keinen Platz mehr für seine ursprünglichen Ideale und Wünsche findet.

Die letzte Strophe ist ein Eingeständnis der Resignation und eine Entschuldigung für das entstandene Gedicht. Der Dichter bittet um Nachsicht und bietet „diesen Unsinn als Gedicht“ an. Er rechtfertigt die mangelnde Qualität des Gedichts mit dem „Leidenden“ in ihm und bittet, den Willen zur Schaffung und den „kühnen Reim für Begeisterung“ zu nehmen. Dies unterstreicht die Tatsache, dass das Gedicht selbst als Ausdruck der Entfremdung und des Verlusts von Kreativität entstanden ist und nicht als Produkt echter Inspiration. Es ist ein Reflex auf die erzwungene Situation, ein unfreiwilliges Werk, das die Tristesse der Umstände widerspiegelt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.