Litthauische Sage
Auf den dunkeln, nächt′gen Wolken
Sitzt Werpega, schaut und sinnt –
Wird ein Erdenkind geboren,
Knüpft sie Fäden an und spinnt;
Und in jeden Schicksalsfaden
Spinnt sie emsig Lust und Leiden,
Aber an des Fadens Ende
Glänzt ein Stern für jedes Kind
Wenn der Tod zwei Augen schließet,
Reißt der Schicksalsfaden ab,
Und vom Himmel sinkt erbleichend
Dann ein heller Stern herab;
Neue Sterne knüpft Werpega
Wieder still an neue Fäden,
Schauet ernst aus nächt′gen Wolken
Auf die Wiege, auf das Grab.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Litthauische Sage“ von Auguste Kurs entwirft ein Bild der Schicksalsgöttin Werpega, die über das Leben und den Tod der Menschen wacht. Das Gedicht ist in zwei Teile gegliedert, die durch das zentrale Thema des Lebensfadens miteinander verbunden sind. Im ersten Teil wird Werpega beschrieben, wie sie auf den Wolken sitzt und die Schicksalsfäden spinnt, in die sie sowohl Freude als auch Leid einwebt. Am Ende jedes Fadens funkelt ein Stern, der das individuelle Schicksal jedes Kindes darstellt.
Der zweite Teil des Gedichts beschreibt den Moment des Todes. Wenn ein Mensch stirbt, reißt der Faden des Lebens ab, und ein Stern fällt vom Himmel herab. Werpega, die unermüdliche Schicksalsgöttin, spinnt neue Fäden und knüpft neue Sterne an, um das ewige Kreislauf von Geburt und Tod fortzusetzen. Diese wiederholte Handlung unterstreicht die unaufhaltsame Natur des Schicksals und die Beständigkeit des Kreislaufs von Leben und Tod.
Die Sprache des Gedichts ist einfach und bildhaft, mit einer klaren Struktur und Reimschema. Dies ermöglicht es, eine eindringliche und leicht verständliche Erzählung zu entfalten. Die Verwendung von Metaphern wie „Schicksalsfäden“ und „Sterne“ verleiht dem Gedicht eine poetische Qualität und ermöglicht es, abstrakte Konzepte wie Schicksal und Tod auf eine greifbare Weise darzustellen. Die nächtliche Szenerie und die zentrale Figur der Werpega erzeugen eine mystische Atmosphäre, die das Gedicht noch verstärkt.
Die Bedeutung des Gedichts liegt in der Darstellung des ewigen Kreislaufs des Lebens und des Todes sowie in der Betonung der Rolle des Schicksals bei der Gestaltung des menschlichen Lebens. Werpega, als Hüterin dieser Fäden, verkörpert die Unausweichlichkeit des Schicksals. Gleichzeitig suggeriert das Gedicht eine gewisse Trost in dem Wissen, dass jeder Mensch seinen eigenen Stern hat, der ihn über den Tod hinaus begleitet, und dass der Kreislauf der Sterne und Fäden unendlich weitergeht.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.