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Lieder des Römischen Carnevals – Viertes Lied

Von

Einen traurigen Gedanken,
Siehe da, das Kind des Nordens!
Doch wohlan, mit Pulcinella
Lach′ ich schon, und der Doctoren
Weisheit hör′ ich an, die Suada
Eines Charlatans begeistert,
Puterartig schreitet hier
Auch der Graf in der Perrücke.

Doch ich werde rasch umfangen,
Und mit hohem Federnhute,
Schwarzem Antlitz, buntem Röckchen,
Arlecchina mir zur Seite!
»Sei willkommen, Freund, willkommen,
Reiche mir den Arm!« – Wer bist du? –
»Wer ich bin? Ei nun, damit
Man′s nicht wisse, dient die Maske.«

Doch verrathen sie der Stimme
Volle Nachtigallentöne,
Und der Locken schwarze Wallung,
Und am purpurnen Barette
Der Begleiterin erkenn′ ich
Deutlich sie; an beide Arme
Hängen sie sich hüpfend an,
Und ich muß geduldig folgen.

Manches art′ge Wörtchen flüstert
Arlecchina nun dem Sänger
Leis′ ins Ohr. Wir bleiben, sagt sie,
Unzertrennlich jetzt beisammen!
Laß uns durch den Corso wandeln,
Bis der Pferdelauf vorüber,
Dann wird uns, verstehst du wohl,
Nunziata gleich verlassen!

Und der Sänger nun am Arme
Solcher lieblichen Geschöpfe
Fühlt, wer könnt′ es ihm verdenken,
Saturnalisches Behagen!
Hat er doch in all′ der Menge
Nun das Seinige gefunden!
Doch er fürchtet im Gewühl
Unterm Volk es zu verlieren.

In der That, sie ist gar artig,
Und wiewohl an seinem Arme,
Reißt sie doch sich los und schüttelt
Einen Mann, den er nicht kennet;
Selbst Confetti soll er haben
Und von Nunziata Blumen,
Und der Sänger schauet zu,
Denn wir sind im Carnevale.

Doch im frohen Schellenklange
Kehren sie zurück, und lustig
Hört im ungestümen Tacte
Man das Tamburin erschallen
Aus dem nahen Seitengäßchen.
Schnell dahin! Die Masken fliegen,
Arlecchina will′s, und ich
Folge hübschen Kindern gerne.

Und im enggeschloss′nen Kreise
Hüpfen halb zerlumpte Paare
Dort im wilden Saltarello!
Doch das heiße Blut geduldet
Hier sich nicht, sie ziehn mich weiter,
Auf und ab, nach allen Seiten,
Bald begrüßend, bald begrüßt,
In dem lärmenden Getümmel.

Und im letzten Scheine glühet
In der Straße fernstem Grunde
Schon das Capitol! Verschwunden
Sind die rasselnden Carossen,
Und das Töchterchen der Liebe
Führt den Sänger leicht und tänzelnd
Unterm fürstlichen Palast
Zu bequemem, hohen Sitze.

Und man scherzt und duldet Scherze,
Sitzt aufs traulichste beisammen,
Und begegnende Bekannte
Wirft man wohl noch mit Confetti,
Bis die Straße schon geräumt ist;
Alles wartet, Alles schaut,
Bis es braust, und nun im Flug
Rosse kommen und verschwinden.

Einen Gang noch, Arlecchina,
Wenn′s auch dämmert, wenn die Sonne
Längst vom Capitol gewichen!
Unersättlich im Genusse
Lernt im Süden man zu werden;
Drum geschwärmt, bis uns das Brüllen
Des Paino scheucht, und dann
Auf den Ball und spät zur Ruhe.

Und zuweilen meines Lebens
Denk′ ich da, der Wonnetage,
Da ich endlich sie gefunden,
Die ich mir so lang′ geträumet,
In der Tracht des Ideales
Mir die Liebende gefolget,
Mir bestimmt, geboren schien,
Für die Ewigkeit gegeben.

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Gedicht: Lieder des Römischen Carnevals - Viertes Lied von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lieder des Römischen Carnevals – Viertes Lied“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger beschreibt eine lebhafte und facettenreiche Erfahrung während des Karnevals in Rom. Die Interpretation des Gedichts offenbart die Suche nach Liebe und Freude in der flüchtigen Atmosphäre des Karnevals sowie die letztendliche Erkenntnis der Vergänglichkeit dieser Freuden.

Die ersten Strophen führen den Leser in die Szenerie des Karnevals ein. Der Dichter, ein „Kind des Nordens“, tauscht seine melancholischen Gedanken gegen die ausgelassene Stimmung des Festes. Er wird von den Masken, insbesondere Arlecchina, in das bunte Treiben hineingezogen. Die Masken dienen als Metaphern für die Freiheit und das Spiel der Identitäten, die dem Karneval innewohnen. Der Dichter erlebt die Anziehungskraft der flüchtigen Freuden, die in der Gesellschaft des Sängers und der „lieblichen Geschöpfe“ gipfelt.

Im Verlauf des Gedichts wird die Vergänglichkeit dieser Freuden deutlich. Die Masken tanzen und ziehen den Dichter mit sich, doch ihre Anwesenheit ist nur von kurzer Dauer. Der Tanz im „lärmenden Getümmel“ wird zu einem Symbol für die Unbeständigkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen im Karneval. Der Dichter erkennt, dass diese Liebe nur von kurzer Dauer ist, was durch die Anspielung auf das „Töchterchen der Liebe“ und die flüchtige Natur des Pferderennens betont wird. Die Sehnsucht nach einem tieferen Sinn und einer dauerhaften Liebe wird spürbar, wenn der Dichter an die „Wonnetage“ denkt, an denen er seine Idealgestalt der Liebe gefunden hat.

Die letzten Strophen spiegeln eine tiefere Erkenntnis wider: Die Suche nach ewiger Liebe und Freude im Karneval ist letztendlich vergeblich. Das Gedicht endet mit einem Moment der Reflexion, in dem der Dichter die flüchtigen Freuden des Karnevals mit der Erinnerung an eine idealisierte Liebe vergleicht. Dies verdeutlicht die Ambivalenz zwischen der Faszination des Augenblicks und der Sehnsucht nach dauerhafter Erfüllung. Der Karneval wird so zum Spiegelbild des Lebens, in dem Freude und Vergänglichkeit untrennbar miteinander verbunden sind.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.