Dir / O mein Leben!
 bin ich ergeben /
 Ich tuh auch / was ein Diener kan /
 dennoch / mein Licht /
 lohnst du mir nicht /
 wie du wohl schuldig /
 weil ich gedultig
 die Marter nehme an.
 Wer wil vertragen
 so große Plagen /
 und haben keinen Lohn davohn?
 bist nicht ein Knecht /
 Der Treu und Recht
 dient / und gedultig /
 den Lohn auch schuldig?
 drümb gib mir meinen Lohn.
 Zwahr deinen Willen
 magst du erfüllen /
 dennoch dien ich dir nicht umbsonst /
 wilt du / mein Licht /
 mehr mir denn nicht /
 wilt du / mein Leben /
 mehr mir nicht geben /
 so gib mir deine Gunst.
 Wo dise Gaben
 ich nicht kan haben /
 so werd ich grau auff einen Tag /
 wo ich dis nicht
 erlang / mein Licht /
 daß deine Straalen
 auff mich frey fallen /
 verlohren ist die Sach.
 Schau der Welt Sachen /
 wie eß die machen /
 wie eß vohn anfang ist gemacht /
 Schaw an das Vieh /
 das sich / ohn Müh /
 fein pflegt zu paaren /
 laß uns auch fahren
 den Weg / da Glücke lacht.
 Soll′n dan die Zeiten
 vohrüber schreiten /
 in den′n die Jugend Bluhmen bringt /
 ohn Lust und Freud /
 in lauterm Leid?
 komb doch / mein Leben /
 du kanst mir geben /
 wohrnach die Jugend ringt.
 Ich wil gedenken /
 du wirst mir schencken
 für meine Müh die zarte Schoß /
 und was noch mehr
 ich auch begehr /
 kom / meine Sonne /
 komb meine Wonne /
 mach mich der Seuffzer loß!
 Wo diese Gabe
 ich nuhr bloß habe /
 so werd ich frey von aller Noht;
 geschiht eß nicht /
 daß mir mein Licht
 die Gunst wil geben /
 kan ich nicht leben /
 bin schon fast lebend todt.
 Drümb diss Bedingen
 lass mir gelingen;
 mein Lieb / wo du mich lieb gewinst /
 so liebe recht /
 wie ich dein Knecht;
 lass sich nicht enden
 die Lieb / noch wenden /
 so hab ich den Verdienst.
 Lass sich nicht enden /
 noch einmahl wenden
 die Liebe und Bestendigkeit /
 so kan ich seyn
 ganz ohne Pein /
 lass dich nicht lencken /
 du must gedencken
 Wo Lieb ist / ist auch Neid.
Lied auff eine Französische Melodey
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Lied auff eine Französische Melodey“ von Sibylla Schwarz ist eine tiefgründige Reflexion über die Natur der Liebe, Hingabe und die Sehnsucht nach Erfüllung. Das lyrische Ich, das sich als Diener seinem „Leben“ (wahrscheinlich einer geliebten Person) hingibt, drückt darin seine Erwartungen und Enttäuschungen aus. Es ist ein intensives Flehen nach Anerkennung und Gegenliebe, das von einer deutlichen Verzweiflung angesichts der ausbleibenden Erwiderung begleitet wird.
Das Gedicht ist in mehreren Strophen gegliedert, die jeweils eine spezifische Facette der Gefühlswelt des lyrischen Ichs beleuchten. Zunächst wird die totale Hingabe und der Dienst am Geliebten betont, doch dann erhebt sich die Frage nach dem gerechten Lohn für diese Hingabe. Die Anspielung auf eine „Marter“ deutet auf das Leiden hin, das mit der unerwiderten Liebe einhergeht. Das lyrische Ich verlangt nach der „Gunst“ des Geliebten, was als ein Zeichen der Anerkennung, Wertschätzung und letztlich der Gegenseitigkeit in der Liebe interpretiert werden kann. Ohne diese Gunst droht das lyrische Ich, in Kummer und Verzweiflung zu ergrauen.
Die zweite Hälfte des Gedichts wechselt von der individuellen Sehnsucht zu einer allgemeineren Betrachtung der Welt und der Liebe. Das lyrische Ich vergleicht sein Leid mit der natürlichen Leichtigkeit des „Viehs“ und der unbeschwerten Fortpflanzung. Es beklagt die Vergeblichkeit, wenn die Jugend ohne Freude und Lust vergeht. Hier manifestiert sich die Hoffnung, dass das „Leben“ (der Geliebte) die ersehnte Erfüllung schenken möge, die der Jugend ihren wahren Wert gibt. Der Wunsch nach Vereinigung mit dem Geliebten und nach Befreiung von Leid und Seufzern wird immer eindringlicher, wobei die „Gunst“ des Geliebten als Schlüssel zur Freiheit von aller Not dargestellt wird.
Der abschließende Teil des Gedichts ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Beständigkeit der Liebe. Das lyrische Ich fleht darum, dass die Liebe nicht ende oder sich wandle. Die letzte Zeile, „Wo Lieb ist, ist auch Neid“, fügt eine bittersüße Note hinzu und deutet auf die Möglichkeit von Eifersucht und negativen Gefühlen als inhärente Elemente der Liebe hin. Sibylla Schwarz gelingt es, die Komplexität der menschlichen Emotionen, insbesondere der Liebe, in ihrer ganzen Bandbreite auszudrücken – von der Hingabe über die Enttäuschung bis hin zur Hoffnung und zum Wunsch nach ewiger Beständigkeit. Die Dichtung zeugt von einem tiefen Verständnis der menschlichen Psyche und der Suche nach Sinn und Erfüllung in der Welt.
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