Lieblingsplätzchen
Wißt ihr, wo ich gerne weil
In der Abendkühle?
In dem Beurertal da ist
Eine kleine Mühle;
Und ein kleiner Bach davor,
Ringsherum steh′n Bäume;
Oft sitz ich da stundenlang,
Schau umher und träume.
Zweiglein gucken in den Bach,
Die Insekten schwirren,
Vöglein singen freudig drein,
Turteltäubchen girren;
Freundlich nicken Gras und Laub,
Leise sich bewegend,
Und die Mühle plappert laut
Von der schönen Gegend.
Auch die Blümlein in dem Grün
Sprechen unbefangen,
Und das blaue Blümlein sagt:
Sieh mein Köpfchen hangen!
Röslein mit dem Dornenkuß
Hat mich so gestochen,
Ach! das macht mich gar betrübt,
Hat mein Herz gebrochen.
Drauf naht sich ein Spinnlein weiß
Spricht: sei doch zufrieden!
Einmal mußt du doch vergehn;
So ist es hienieden!
Besser wenn das Herz Dir bricht
Von dem Kuß der Rose,
Als du kennst die Liebe nicht
Und stirbst liebelose.
Friederike
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Lieblingsplätzchen“ von Bettina von Arnim beschreibt einen idyllischen Ort, an dem die Erzählerin ihre Zeit gerne verbringt. Das Gedicht zeichnet sich durch eine einfache, leicht verständliche Sprache und eine heitere Atmosphäre aus, die durch die Beschreibung der Natur und der dort anzutreffenden Lebewesen erzeugt wird. Die Autorin verwendet eine lebendige Bildsprache, um die Szenerie zu beschreiben, wodurch der Leser in die Szene eintauchen und die Ruhe und Schönheit des Ortes miterleben kann.
Die zweite Strophe verstärkt den Eindruck der Idylle durch die Beschreibung der zahlreichen Aktivitäten der Lebewesen rund um die Mühle und den Bach. Die „Insekten schwirren“, die „Vöglein singen“, die „Turteltaubchen girren“ und das Gras und Laub „nicken“ freundlich, was die Lebendigkeit des Ortes betont. Die Mühle selbst „plappert laut“, was die Geräuschkulisse des Ortes ergänzt. Diese Aufzählung und die personifizierten Elemente wie das „nicken“ des Grases tragen dazu bei, eine Atmosphäre der Harmonie und des Friedens zu schaffen.
Die dritte und vierte Strophe führen eine unerwartete Wendung ein. Die zuvor beschriebene Idylle wird durch die Klage eines blauen Blümchens, das von einer Rose „gestochen“ wurde, getrübt. Diese Klage über Schmerz und Leid unterbricht die unbeschwerte Freude und leitet eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema Liebe und Verlust ein. Die Antwort eines Spinnchens, das Trost spendet und das Vergehen als unvermeidlich akzeptiert, wirft eine philosophische Frage auf: Ist es besser, das Herz durch die Liebe zu verlieren, oder ohne jegliche Liebe zu leben?
Das Gedicht kann als eine Betrachtung über die Natur der Liebe und des Leids interpretiert werden. Es zeigt, dass die Schönheit der Welt auch von Schmerz begleitet sein kann. Die Autorin stellt die Frage nach dem Wert der Liebe, selbst wenn sie zu Leid führt, und deutet an, dass es besser ist, die Erfahrung der Liebe zu machen, auch wenn sie schmerzhaft ist, als ein liebloses Leben zu führen. Die Verwendung der Natur als Hintergrund und die spielerische Darstellung der Lebewesen helfen, diese tiefgründigen Fragen auf eine zugängliche und poetische Weise zu vermitteln.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.