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Liebeslied für Euphemia

Von

O Phemie: uns ist der Mond ein großes gelbes Tulpenbeet
(Es wälzen keuchend sich vom Horizonte Hollands taube Strahlen).
Vermischt sich Apfelmusgehirn mit Loderherz: kommt Eros viel zu spät
Und wir befinden uns weitaus am wohlsten in der Vertikalen.

Kioske öffneten sich rasch und Illustrierte schrillen.
Wir treiben Wucher mit dem Kinofilmband!
Wir liebten kilometerweise! Nach des Regisseures Willen!
Und jedes Pfundstück war uns neuer Akte Unterpfand.

Und Euphemie, wenn sentiment nicht mehr aktuell ist…
Dann fliehen wir nach Monte, Phemie: ich habe drei Systeme!
Du hast nur eins: du bringst die Kavaliere heeme.

Dann erbst du wohl das Doppelte, weil du so sexuell bist;
Ein Auto blüht uns und ein Landhaus: Abbazzia.
O Phemie: halt die Fleppen blank! Denk an die nächste Razzia!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Liebeslied für Euphemia von Hugo Ball

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Liebeslied für Euphemia“ von Hugo Ball ist ein avantgardistisches Werk, das auf ironische und groteske Weise die Themen Liebe, Materialismus und das moderne Stadtleben verhandelt. Balls charakteristische Verwendung von dadaistischen Elementen, wie Wortspielereien und unerwarteten Bildern, durchzieht das gesamte Gedicht und erzeugt eine Atmosphäre der Dekonstruktion und des Humors. Die Anrede „O Phemie“ etabliert sofort eine intime, aber gleichzeitig distanzierte Beziehung, die den Leser in die Welt des Gedichts hineinzieht.

Der erste Abschnitt beginnt mit einem surrealen Bild des Mondes als „großes gelbes Tulpenbeet“, das die natürliche Welt mit der künstlichen Welt verbindet und eine ungewöhnliche Perspektive auf die Romantik eröffnet. Die Metapher „Apfelmusgehirn“ und „Loderherz“ veranschaulichen die Kollision von Intellekt und Leidenschaft, wobei Eros, die personifizierte Liebe, zu spät eintrifft. Dies deutet auf eine gewisse Ernüchterung und das Scheitern traditioneller Liebesvorstellungen hin, die durch die „Vertikale“ symbolisiert wird, was möglicherweise eine Flucht vor den Komplikationen der Emotionen oder eine Orientierung an pragmatischen Werten impliziert.

Der zweite Teil des Gedichts wechselt zu einer Beschreibung des modernen Lebens, insbesondere der Konsumgesellschaft und des Kinos. Die „Illustrierte“ und „Kinofilmbänder“ sind Symbole für die Oberflächlichkeit und den schnellen Konsum von Bildern und Emotionen. Die Zeile „Wir liebten kilometerweise! Nach des Regisseures Willen!“ deutet auf eine entindividualisierte Liebe hin, die von äußeren Faktoren gesteuert und kommerzialisiert wird. Jedes „Pfundstück“ wird zum „Akte Unterpfand“, was die Reduzierung der Liebe auf finanzielle Transaktionen impliziert. Diese Zynismus steht im Kontrast zu den Erwartungen eines Liebesliedes und unterstreicht die Kritik Balls an der zeitgenössischen Gesellschaft.

Der Schluss des Gedichts nimmt eine noch deutlichere Wendung zur Ironie und zum Materialismus. Die Aussage „wenn Sentiment nicht mehr aktuell ist…“ unterstreicht die Abkehr von traditionellen romantischen Werten. Die Flucht nach Monte Carlo, die „drei Systeme“ des Sprechers und die sexuelle Ausbeutung Euphemias, um ein Erbe zu erlangen, zeigen eine kalte, berechnende Beziehung, in der materielle Vorteile im Vordergrund stehen. Das abschließende Bild eines „Auto[s], das blüht“ und eines Landhauses in Abbazzia verstärkt die Betonung von Wohlstand und Status. Der Aufruf „O Phemie: halt die Fleppen blank! Denk an die nächste Razzia!“ verdeutlicht schließlich die gesellschaftliche Kritik, die durch die Nutzung einer Gangstersprache und die Warnung vor den Risiken im Spiel, die inhärente Instabilität dieser materialistischen Welt unterstreicht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.