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Letzter Gruß

Von

Jungfraunbilder, früh erblichen,
In dem Haar den Myrtenkranz,
Dämmernd-schwebende Gestalten,
Steigen auf bei Mondenglanz.

Wollt ihr mit den weißen Händen,
Die den Knaben nie gedrückt,
Halb verwelkte Rosen brechen,
Weil kein Fröhlicher sie pflückt?

Wollt ihr mit den kalten Lippen,
Die kein Jüngling warm geküßt,
Aus den Blütenkelchen trinken,
Die der Schmetterling vergißt?

Oder wollt ihr still erkunden,
Wenn ihr, wie im Traum, euch zeigt,
Ob euch aus dem treusten Herzen
Noch ein leerer Seufzer steigt?

Eine tritt zu mir ans Lager,
Ach, ich träumte nicht von ihr,
Aber, abendrot-umgossen,
Steht sie jetzt, wie einst, vor mir.

Immer lächelnd, immer freundlich,
Und erst in dem letzten Schmerz
Preßte sie, zusammensinkend,
Ihre Hand aufs arme Herz!

Ach, ihr Herz war wie ein Siegel:
Erst als es gebrochen war,
Wurde mir sein schaurig-süßes,
Himmlische Geheimnis klar!

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Gedicht: Letzter Gruß von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Letzter Gruß“ von Friedrich Hebbel ist eine elegische Reflexion über Tod, unerfüllte Liebe und das Geheimnis des Herzens. Es beschreibt eine Vision von verstorbenen Jungfrauen, die in einer mondbeschienenen Szenerie erscheinen und dem lyrischen Ich begegnen. Die Bilder sind melancholisch und von einer tiefen Traurigkeit geprägt, die durch die Beschreibungen der verblassenden Schönheit und der kalten, unberührten Züge der Geister verstärkt wird. Der „letzte Gruß“ scheint eine Botschaft aus dem Jenseits zu sein, die die Vergänglichkeit des Lebens und die Unerreichbarkeit des Glücks thematisiert.

Die ersten Strophen entwerfen ein Bild von Jungfrauen, deren Jugend frühzeitig dahingegangen ist. Sie werden mit Attributen wie „Myrtenkranz“ und „dämmernd-schwebende Gestalten“ versehen, die auf Reinheit, Unschuld und den Übergang in eine andere Welt hinweisen. Die Fragen, die an die Geister gestellt werden, offenbaren die Sehnsucht nach einer Antwort auf die unerfüllten Wünsche und die ungelebten Freuden der Verstorbenen. Die Bilder der „halb verwelkten Rosen“ und der „kalten Lippen“ unterstreichen die Kälte und Leere, die den Geistern innewohnt und die Tragik ihres Schicksals.

Die Begegnung mit einer bestimmten Jungfrau, die im Traum nicht erwartet wurde, ist der zentrale Moment des Gedichts. Ihr Erscheinen, umgeben von „abendrot“, verstärkt die surreale Atmosphäre und deutet auf eine besondere Verbindung hin. Der „letzte Schmerz“, den sie erleidet, wird durch das „Pressen“ ihrer Hand auf das „arme Herz“ ausgedrückt. Dieser Moment ist von einer tiefen emotionalen Intensität geprägt, der die gesamte Tragödie des Gedichts zusammenfasst. Die plötzliche Geste deutet auf eine Art von Erlösung oder das Aufdecken eines Geheimnisses hin.

Die letzte Strophe enthüllt das „himmlische Geheimnis“ des Herzens der Jungfrau, das erst nach dem „Zerbrechen“ des „Siegels“ verstanden wird. Dieses Geheimnis scheint eine Botschaft über die Tiefe der Liebe und des Leids zu sein, die im Leben der Verstorbenen verborgen war. Die Beschreibung als „schaurig-süß“ deutet auf die Ambivalenz der Erfahrung hin, die sowohl Schrecken als auch Schönheit birgt. Das Gedicht endet mit der Erkenntnis, dass erst im Tod das wahre Wesen der Liebe und der menschlichen Seele offenbar wird, eine Erkenntnis, die sowohl tröstlich als auch schmerzhaft ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.