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Der Zinnoberschlager

Von

Ach, wie ist die Welt so tinke,
und so sauber und so blank,
Denn sie trägt ne tinke Schminke,
Und zig Kilometer lang.
Und die kleine Omama
Macht jetzt immer hoppsassa,
Stundenlang, stundenlang.
Gott sei Dank!

Denn in Kanada,
in Amerika
Hoppst die kleine Omama
Immer rinn in den Zinnober,
Immer knüppeldicke rinn,
Hoppst sie unter, hoppst sie ober,
Macht sie stets den dollsten Zinn.
Aber wie kam in den Zinn
In Amerika die kleine Omama?
In Amerika die kleine Omama?
Omama, Omama.

Ach, wie ist der Schirm so starke,
Und so propper und so schlank,
Denn es ist ne gute Marke,
Und schon fuffzig Jahre lang.
Haben Sie noch nie gesehn
Omama am Schirme gehen?
Jahrelang, Jahrelang?
Gott sei Dank!

Denn in Kanada,
in Amerika
Geht die kleine Omama
Immer rinn in den Zinnober,
Immer knüppeldicke rinn,
Geht se unter, geht sie ober,
Macht se stets den dollsten Zinn.
Aber wie kam in den Zinn
In Amerika die kleine Omama?
In Amerika die kleine Omama?
Omama, Omama.

Dabei ist er abgebrochen,
Dieser so solide Schürm,
Hat sie in die Hand gestochen,
Denn er hat bereits den Würm.
Darum macht die Omama
Nur noch immer hoppsassa,
Stundenlang, stundenlang.
Gott sei Dank!

Denn in Kanada,
in Amerika
Hoppst die kleine Omama
Immer rinn in den Zinnober,
Immer knüppeldicke rinn,
Hoppst se unter, hoppst se ober,
Macht se stets den dollsten Zinn.
Sehn Sie, so kam in den Zinn
In Amerika die kleine Omama
In Amerika die kleine Omama?
Omama, Omama.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Zinnoberschlager von Kurt Schwitters

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Zinnoberschlager“ von Kurt Schwitters ist ein typisches Beispiel für seine dadaistische Lyrik, die sich durch Sprachspiel, Nonsens-Strukturen und absurde Bilder auszeichnet. Im Mittelpunkt steht die „kleine Omama“, die in Kanada und Amerika immer wieder in den „Zinnober“ gerät – ein Wort, das hier sowohl wörtlich als auch bildlich für Chaos, Unsinn oder ein übertriebenes Aufheben stehen kann.

Formal lebt das Gedicht von Wiederholungen, rhythmischen Elementen und einem Refrain-artigen Aufbau. Der Text ist durchzogen von lautmalerischen Wendungen („hoppsassa“, „knüppeldicke rinn“), die kindlich und verspielt wirken, zugleich aber eine absurde Intensität erzeugen. Die wiederkehrende Frage, wie die Omama in den „Zinn“ geraten sei, wird nie wirklich beantwortet – sie steht als dadaistisches Spiel mit Sinn und Erwartung.

Inhaltlich bietet das Gedicht keine klassische Handlung oder klare Figurenpsychologie. Die „Omama“ bleibt eine skurrile Figur, die in einer absurden, karikaturhaften Welt agiert. Der kaputte Schirm, der „den Würm“ hat, fügt dem scheinbar harmlosen Nonsens eine groteske Komponente hinzu. Gleichzeitig wirkt der Text wie eine Parodie auf bürgerliche Ordnung: Selbst die „gute Marke“ versagt, die Welt ist „so tinke“ – ein Neologismus, der zugleich auf „dünn“, „tückisch“ oder einfach sinnlos hindeuten könnte.

Schwitters unterwandert mit diesem Text jede Erwartung an Sinn oder Logik in der Lyrik. Der Reiz des Gedichts liegt genau in seiner Übertreibung, der Klangverliebtheit und der Zerstörung herkömmlicher Sprachstrukturen. „Zinnober“ wird zum Symbol für die Überforderung durch moderne Weltbilder, durch Werbung, Technik oder soziale Normen – alles wird in dadaistisches Hoppsassa verwandelt.

So wirkt das Gedicht trotz seines scheinbaren Unsinns wie ein Kommentar auf die Absurdität moderner Existenz: Die „Omama“ ist eine Projektionsfläche für kulturelle Verirrungen, ein Relikt, das sich mit Kinderlied-Charme und anarchischem Humor durch eine unverständliche Welt bewegt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.