Komische Elegie
Der Himmel ist heute ein dicker weißer Sack
Von Mehl oder Kleie.
Die Luft riecht nach Ammoniak,
Und es sieht aus, als ob es bald schneie.
Ich denke, daß an dem
Tage, der – vor einem Jahre – diesem heutigen
Tage voranging,
Ich zwei Marktweiber sah, welche Tandem
Fuhren, und einen Herrn, trotz des winterlichen
Wetters bekleidet mit Nanking.
Zum Zwecke eines tröstenden Blutgeschwüres
Kauf ich verschiedene Flaschen Schnäpse. Wo misch
Ich sie? Wo sauf ich sie? Oh, rühr es
Den Himmel doch, wie meine Seele heute traurig zugleich und komisch.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Komische Elegie“ von Klabund zeichnet sich durch seine melancholische Grundstimmung aus, die durch den Kontrast zur Alltagssprache und den humorvollen Elementen verstärkt wird. Der Titel selbst, „Komische Elegie“, weist bereits auf diese Widersprüchlichkeit hin: eine Elegie, die traditionell für Trauer steht, wird hier mit dem Attribut „komisch“ versehen. Die ersten Strophen etablieren eine triste, fast unwirkliche Szenerie: ein „dicker weißer Sack“ am Himmel, die Luft riecht nach Ammoniak, und es droht zu schneien. Diese Beschreibung erzeugt ein Gefühl der Tristesse und Unbehaglichkeit, die durch die ungewöhnlichen Vergleiche noch verstärkt wird.
In der zweiten Strophe wird diese düstere Atmosphäre durch eine fast surreale Erinnerung an einen vergangenen Tag ergänzt. Der Autor erinnert sich an einen Tag vor einem Jahr, an dem er Marktweiber ein Tandem fahren sah und einen Herrn in Nanking-Kleidung, trotz des winterlichen Wetters. Diese skurrile Beobachtung wirkt wie ein Bruch in der ansonsten eher bedrückenden Szenerie und verleiht dem Gedicht eine gewisse Absurdität. Das Erinnern selbst scheint jedoch keinen Trost zu spenden, sondern dient lediglich als ein weiteres Element der Melancholie. Die Vergangenheit wird nicht verklärt, sondern als ebenso eigenartig und unergründlich wie die Gegenwart dargestellt.
Die dritte Strophe offenbart die zentrale Aussage des Gedichts: den Versuch, Trost im Alkohol zu finden. Der Autor kauft „verschiedene Flaschen Schnäpse“ in der Hoffnung, ein „tröstendes Blutgeschwüres“ zu lindern. Die Frage, wo und wie er den Schnaps mischen und trinken soll, unterstreicht die Verzweiflung und die Suche nach einem Ausweg aus der melancholischen Stimmung. Der Höhepunkt der Emotionen wird in der direkten Ansprache an den Himmel erreicht, der darum gebeten wird, die Traurigkeit und Komik der Seele zu fühlen.
Klabund gelingt es, mit wenigen, aber wirkungsvollen Bildern und einer Mischung aus Alltagssprache und poetischen Elementen, die komplexen Emotionen der Trauer und des Humors zu erfassen. Das Gedicht ist ein Spiegelbild der menschlichen Erfahrung, in der Freude und Leid, Leichtigkeit und Schwermut eng miteinander verwoben sind. Es lädt den Leser ein, über die Widersprüche des Lebens nachzudenken und die oft paradoxe Natur menschlicher Gefühle zu betrachten.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.