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Kleine Dorfgeschichte

Von

Ich sitze vor der Thüre, mir thut die Sonne gut,
Bin gar ein altes Wesen, doch hab′ ich frischen Muth.

Ich seh die Wolken glühen beim Sonnenuntergang
Und von der Linde drüben schallt fröhlicher Gesang.

Am andern End′ des Dorfes, da sitzt ein alter Mann,
Der schaut auch nur von ferne das muntre Treiben an.

Er war der flinkste Tänzer wohl aus der Burschen Schaar,
Wie ich das flinkste Mädchen im ganzen Dorfe war.

Wir tanzten stets zusammen, es sah gar stattlich aus,
Und bei der Kirchweih brachte er mir den schönsten Strauß.

Nun haben wir in Jahren uns schon nicht mehr gesehn,
Denn keiner von uns Beiden kann zu dem Andern gehn.

Zu weit für unsre Kräfte ist jetzt der kurze Steg,
Doch kommen wir zusammen wohl bald auf halbem Weg.

Denn in des Dorfes Mitte, da liegt der Kirchhof still,
Da werden wir uns treffen, so bald der Himmel will.

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Gedicht: Kleine Dorfgeschichte von Auguste Kurs

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Kleine Dorfgeschichte“ von Auguste Kurs erzählt in schlichten Worten von der Vergänglichkeit des Lebens, der unaufhaltsamen Zeit und der unvermeidlichen Begegnung mit dem Tod. Die Autorin nimmt den Leser mit in eine idyllische Dorflandschaft, in der sie, eine alte Frau, die Ruhe des Alters genießt und die Schönheit des Sonnenuntergangs betrachtet. Die Erwähnung des „frischen Muth“ deutet an, dass sie trotz ihres Alters und der Erfahrungen des Lebens die Freude und den Lebenswillen nicht verloren hat. Der Gesang von der Linde unterstreicht die friedliche Atmosphäre und die Verbundenheit mit der Natur, die das Leben in dem Dorf prägt.

Im zweiten Teil des Gedichts wird ein alter Mann eingeführt, der einst ein Teil ihres Lebens war. Die Erinnerung an die gemeinsame Vergangenheit, als sie „das flinkste Mädchen“ und er „der flinkste Tänzer“ waren, weckt ein Gefühl der Melancholie. Die Beschreibung der Jugend als fröhlich und beschwingt, symbolisiert durch das Tanzen und den Blumenstrauß, steht im Kontrast zur Gegenwart, in der beide aufgrund ihres Alters getrennt sind. Die räumliche Distanz, die durch den „kurzen Steg“ ausgedrückt wird, steht für die physische Einschränkung, die mit dem Älterwerden einhergeht, und die Unfähigkeit, sich gegenseitig zu besuchen.

Die letzten beiden Strophen führen zur Kernaussage des Gedichts: der Gewissheit des Todes und der Wiedervereinigung im Jenseits. Der Kirchhof in der Mitte des Dorfes wird zum zentralen Ort der Versöhnung und des ewigen Zusammenseins. Die Zeile „Da werden wir uns treffen, so bald der Himmel will“ drückt die Hoffnung auf ein Wiedersehen nach dem Tod aus. Es ist ein Trost, der die Melancholie des Alters überwindet und ein Gefühl der Akzeptanz gegenüber dem natürlichen Kreislauf des Lebens vermittelt.

Das Gedicht ist von einfacher Sprache und einem ruhigen Rhythmus geprägt, was die Idylle des Dorflebens widerspiegelt. Die Reime und die klaren Bilder erleichtern das Verständnis und erzeugen eine Atmosphäre der Ruhe und Besinnlichkeit. Die Thematik der Vergänglichkeit und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod werden hier in einer sehr persönlichen und berührenden Weise verhandelt, wodurch das Gedicht über die bloße Beschreibung eines Dorfgeschehens hinausgeht und zu einer universellen Reflexion über das menschliche Dasein wird.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.