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Kein Freud ist ohne Schmerz…

Von

Kein Freud ist ohne Schmerz, kein Wollust ohne Klagen,
Kein Stand, kein Ort, kein Mensch ist seines Kreuzes frei.
Wo schöne Rosen blühn, stehn scharfe Dorn dabei,
Wer außen lacht, hat oft im Herzen tausend Plagen,

Wer hoch in Ehren sitzt, muß hohe Sorgen tragen,
Wer ist, der Reichtum acht′ und los von Kummer sei?
Wer auch kein′ Kummer hat, fühlt doch, wie mancherlei
Traurwürmlin seine Seel und matte Sinn durchnagen.

Ich sag es offenbar, so lang der Sonnen Licht
Vom Himmel hat bestrahlt mein bleiches Angesicht,
Ist mir noch nie ein Tag, der ganz ohn Angst, bescheret!

O Welt, du Tränental, recht selig wird geschätzt,
Der, eh er einen Fuß hin auf die Erden setzt,
Bald aus der Mutter Schoß ins Himmelslusthaus fähret.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Kein Freud ist ohne Schmerz... von Andreas Gryphius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Kein Freud ist ohne Schmerz…“ von Andreas Gryphius ist eine tiefgründige Reflexion über die Vergänglichkeit und das Leid, die untrennbar mit dem menschlichen Dasein verbunden sind. Es handelt sich um ein Sonett, dessen Struktur bereits eine gewisse Ordnung und Ausgewogenheit vorgibt, die jedoch durch den pessimistischen Inhalt konterkariert wird. Das Gedicht zeichnet ein düsteres Bild der Welt, in der Glück und Freude stets von Schmerz und Leid begleitet werden.

Gryphius beginnt mit der Feststellung, dass kein Vergnügen ohne Leid, kein Genuss ohne Klagen existiert. Er generalisiert dies, indem er feststellt, dass kein Stand, kein Ort und kein Mensch von seinem „Kreuz“, also seinem Schicksal oder seinen Problemen, frei ist. Dies deutet auf eine universelle Erfahrung des Leids hin, die unabhängig von äußeren Umständen oder persönlichem Glück auftritt. Das Bild der Rosen mit ihren Dornen verdeutlicht diese Dichotomie von Schönheit und Schmerz, Freude und Leid. Menschen, die nach außen hin glücklich erscheinen, tragen oft innere Qualen. Die Aussage, dass „Wer hoch in Ehren sitzt, muß hohe Sorgen tragen“, unterstreicht die Bürden, die mit Erfolg und Macht einhergehen.

Der zweite Teil des Sonetts vertieft die Thematik und wirft die Frage nach der Freiheit von Kummer auf. Selbst wer scheinbar frei von konkretem Leid ist, wird von „Traurwürmlin“ in der Seele zernagt, was die subtile, aber stetige Präsenz von Sorgen und Ängsten im menschlichen Geist darstellt. Die Metapher der „Traurwürmlin“ ist eindrücklich, da sie die schleichende Zerstörung von innen heraus versinnbildlicht. Gryphius‘ eigene Erfahrung wird im folgenden Vers als Quelle seiner Erkenntnis enthüllt: Seit er von der Sonne beschienen wird, hat er keinen Tag ohne Angst erlebt. Dies verstärkt den Eindruck von der Allgegenwart des Leids.

Das Gedicht endet mit einer verzweifelten Anrede an die Welt als „Tränental“ und einem Ausblick auf die Erlösung durch den Tod. Die wahre Seligkeit wird demjenigen zugesprochen, der aus dem Mutterleib direkt in das „Himmelslusthaus“ gelangt, also stirbt, bevor er die Welt betritt. Diese abschließenden Verse drücken eine tiefe Sehnsucht nach Erlösung und ein Misstrauen gegenüber dem irdischen Dasein aus. Gryphius‘ Gedicht ist ein ergreifender Ausdruck der Erfahrung von Leid und Vergänglichkeit, der für die Barockzeit typisch ist. Es hinterlässt den Leser mit einem Gefühl der Melancholie und der Erkenntnis, dass das menschliche Leben unweigerlich von Schmerz geprägt ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.