Januar
Ich bringe dir in weißen kalten Händen
Ein warmes Haus, erhellt von tausend Kerzen,
Bewohnt von bunten Spielen, Tänzen, Scherzen,
Von Amoretten auch, die Pfeile senden.
Sie flattern auf und ab an allen Enden,
Die Jungfrau schaut besorgt nach ihrem Herzen,
Die Andre schon nach Einem, der den Schmerzen
Der Wunde möchte süßen Balsam spenden.
Als hülfreich hab′ ich immer dich erfunden,
Vor Allem, wo es gilt den schwachen Schönen,
Drum, denk′ ich, wird sie nicht bis morgen klagen.
Bald sind verrauscht des Festes heiße Stunden,
Schon hör′ ich Hufschlag vor dem Thore dröhnen:
Reich′ ihr den Arm und führe sie zum Wagen!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Januar“ von Wilhelm Müller beschreibt eine Szene voller Gegensätze und verborgener Andeutungen, die von einer scheinbaren Wärme und Festlichkeit überlagert werden. Die „weißen kalten Händen“ des lyrischen Ichs, die ein „warmes Haus“ präsentieren, weisen bereits auf eine Diskrepanz hin. Die weiße Farbe assoziiert Kälte und Leere, während das Haus mit „tausend Kerzen“ und „bunten Spielen, Tänzen, Scherzen“ als Ort der Freude und des Überflusses beschrieben wird. Diese Kontraste deuten auf eine tiefere Bedeutungsebene hin, die über die bloße Darstellung einer winterlichen Festlichkeit hinausgeht.
In den folgenden Strophen wird die Atmosphäre weiter verdichtet. Die Beschreibung der „Amoretten“, die „Pfeile senden“, deutet auf die Anwesenheit der Liebe, aber auch der möglichen Schmerzen, die damit verbunden sind. Die „Jungfrau“ und die „Andre“ werden als Beispiele für unterschiedliche Gemütslagen der Anwesenden präsentiert. Während die Jungfrau ihr Herz schützt, suchen die Anderen bereits nach Trost und Heilung. Dies impliziert eine gewisse Melancholie und die Möglichkeit von Liebeskummer, die unter der Oberfläche des fröhlichen Treibens verborgen liegt. Die Formulierung „der Einem, der den Schmerzen / Der Wunde möchte süßen Balsam spenden“ lässt auf ein mögliches Ungleichgewicht in den Beziehungen und unerwiderte Gefühle schließen.
Das lyrische Ich nimmt eine helfende Rolle ein, besonders für die „schwachen Schönen“. Dies deutet auf ein Verantwortungsbewusstsein oder sogar eine Fürsorge hin. Die Aussage, dass sie „nicht bis morgen klagen“ werden, impliziert, dass die Situation vorübergehend gelöst oder zumindest erträglicher gemacht werden kann. Diese Intervention unterstreicht die Ambivalenz des Gedichts. Einerseits wird ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit vermittelt, andererseits wird die Verletzlichkeit der Charaktere und die Flüchtigkeit der Freuden angedeutet.
Der Wechsel am Ende des Gedichts von der Beschreibung der festlichen Stunden zum „Hufschlag vor dem Thore“ und der Aufforderung, die Frau zum Wagen zu führen, verstärkt diese Ambivalenz. Die beschriebene „heiße Stunden“ klingen aus, und ein Abschied steht bevor. Der plötzliche Aufbruch deutet auf das Ende der Illusion und die Rückkehr zur Realität, vielleicht zu einer kälteren oder einsameren Welt. Das Gedicht endet mit einer Bewegung, die das Ende des Festes und den Beginn einer anderen, möglicherweise unbefriedigenden Situation ankündigt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.