Ist Lieben keusch? wo kompt denn Ehbruch her?
 Ist Lieben guht / nichts böses drinn zu finden /
 wie kann sein Feur dan so gahr viel entzünden?
 Ist Lieben Lust / wer bringt dan das Beschwär?
 Wer Lieben liebt / fährt auff der Wollust Meer /
 und lässet sich ins Todes Netze binden /
 das nicht zerreist / er lebet nuhr den Sünden /
 liebt Eitelkeit / und ist der Tugend leer.
 Das ewig lebt / dem stirbt er gäntzlich ab /
 sieht seine Noht erst / wan er siht sein Grab.
 Wer dan nuhn wird in Liebes Brunst gefunden /
 der fliehe bald / und hasse / die er liebt;
 ist Lieb ihm süß? so werd er drümb betrübt;
 ist sie sein Brodt? so geb er sie den Hunden.
Ist Lieben keusch…
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Ist Lieben keusch…?“ von Sibylla Schwarz ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Natur der Liebe, die in Frage stellt, ob Liebe überhaupt als rein oder unschuldig angesehen werden kann. Das Gedicht beginnt mit einer rhetorischen Frage, die sofort einen Zweifel an der Keuschheit der Liebe aufwirft: „Ist Lieben keusch? wo kompt denn Ehbruch her?“ Dieser eröffnende Vers legt den Grundstein für eine Untersuchung der dunklen Seiten der Liebe und ihrer potenziellen Folgen.
Schwarz entwirft in den folgenden Versen ein düsteres Bild der Liebe, indem sie sie mit negativen Aspekten wie Ehebruch, Feuer, Beschwernis und dem „Todes Netze“ in Verbindung bringt. Die Verwendung des Begriffs „Wollust Meer“ deutet auf die Verlockungen und Risiken hin, die mit dem Eintauchen in die Liebe einhergehen, was zu einer Bindung führt, die „nicht zerreist“ und den Liebenden in ein Leben der Sünde führt. Diese bildliche Sprache unterstreicht die These, dass die Liebe, anstatt rein und erhebend zu sein, zu Leid, Unglück und dem Verlust der Tugend führen kann.
Der zweite Teil des Gedichts, beginnend mit dem Vers „Das ewig lebt, dem stirbt er gäntzlich ab,“ verstärkt die Thematik des Verlusts und der Vergänglichkeit, die mit der Liebe verbunden sind. Die Zeilen betonen, dass der Liebende das Ewige, also möglicherweise spirituelle oder tugendhafte Aspekte des Lebens, verliert. Erst am Ende, wenn der Liebende sein „Grab“ sieht, erkennt er die Notwendigkeit, sich von der Liebe abzuwenden.
Im abschließenden Teil gibt Schwarz eine klare Warnung aus: Wer sich in der „Liebes Brunst“ befindet, soll fliehen und diejenigen hassen, die er liebt. Durch die Verwendung von drastischen Bildern wie dem Geben der Liebe „den Hunden“ wird die Abneigung gegen die Liebe verstärkt und die Überzeugung ausgedrückt, dass die Liebe, egal wie süß sie sein mag, nur zu Leid und Trauer führen kann. Das Gedicht endet mit einer pessimistischen Botschaft, die die Liebe als eine gefährliche und potenziell zerstörerische Kraft darstellt, der man entkommen sollte.
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Lizenz und Verwendung
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