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In einem verlassenen Zimmer

Von

Fenster, bunte Blumenbeeten,
eine Ogel spielt herein.
Schatten tanzen an Tapeten,
Wunderlich ein toller Reihn.

Lichterloh die Büsche wehen
Und ein Schwarm von Mücken schwingt
Fern im Acker Sensen mähen
Und ein altes Wasser singt.

Wessen Atem kommt mich kosen?
Schwalben irre Zeichen ziehn.
Leise fließt im Grenzenlosen
Dort das goldne Waldland hin.

Flammen flackern in den Beeten.
Wirr verzuckt der tolle Reihn
An den gelblichen Tapeten.
Jemand schaut zur Tür herein.

Weihrauch duftet süß und Birne
Und es dämmern Glas und Truh.
Langsam beugt die heiße Stirne
Sich den weißen Sternen zu.

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Gedicht: In einem verlassenen Zimmer von Georg Trakl

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „In einem verlassenen Zimmer“ von Georg Trakl erzeugt eine beklemmende Atmosphäre, die von Melancholie, Vergänglichkeit und einer Ahnung des Todes geprägt ist. Die Wahl des Ortes – ein verlassenes Zimmer – deutet bereits auf Einsamkeit und eine Abgeschiedenheit von der lebendigen Welt hin. Die Beschreibung der Szenerie, die von bunten Blumenbeeten und einer „Ogel“ (vermutlich ein Musikinstrument) geprägt ist, wirkt zunächst idyllisch, wird aber sofort durch das Eindringen von Schatten und einem „tollen Reihn“ (Reigen) unterbrochen, der eine unheimliche und verstörende Stimmung erzeugt.

Die Verwendung von Bildern wie „Lichterloh die Büsche wehen“ und „Schwarm von Mücken“ in Verbindung mit dem ferne Mähen von Sensen verstärkt diese beklemmende Atmosphäre. Die Mücken und die Sensen sind Metaphern für den Tod und die Vergänglichkeit des Lebens. Das „alte Wasser“, das singt, könnte für den Fluss der Zeit und die unaufhaltsame Bewegung zum Ende stehen. Die Frage „Wessen Atem kommt mich kosen?“ lässt auf eine sehnsüchtige Suche nach Trost und Nähe schließen, die in dieser trostlosen Umgebung jedoch unerfüllt bleibt. Die „Schwalben irre Zeichen“ deuten auf ein Gefühl der Orientierungslosigkeit und des Verirrtseins hin.

Im weiteren Verlauf des Gedichts verdichtet sich die Atmosphäre der Verzweiflung. Die „Flammen flackern“ und der „tollen Reihn“ verzuckt sich noch stärker. Die Beobachtung „Jemand schaut zur Tür herein“ impliziert die Anwesenheit einer unbestimmten, vielleicht bedrohlichen Gestalt, die das Gefühl der Unbehaglichkeit noch verstärkt. Die Verwendung von Wörtern wie „wirr“ und „verzuckt“ spiegelt die innere Unruhe und das Chaos wider, die den Sprecher zu ergreifen scheinen.

Das Gedicht gipfelt in einer Szene, die von religiösen und mystischen Elementen durchzogen ist. Der Duft von Weihrauch und Birne deutet auf eine rituelle oder transzendente Erfahrung hin. Die „heiße Stirne“ neigt sich „den weißen Sternen zu“, was eine Hinwendung zum Übernatürlichen, zum Jenseits oder zum Tod andeutet. Trakls Gedicht ist ein eindringliches Beispiel für seine düstere Lyrik, die von der Vergänglichkeit des Lebens, der Einsamkeit und der Ahnung des Todes geprägt ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.