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In einem fremden Park

Von

Zwei Wege sinds. Sie führen keinen hin.
Doch manchmal, in Gedanken, läßt der eine
dich weitergehn. Es ist, als gingst du fehl;
aber auf einmal bist du im Rondel
alleingelassen wieder mit dem Steine
und wieder auf ihm lesend: Freiherrin
Brite Sophie – und wieder mit dem Finger
abfühlend die zerfallne Jahreszahl -,
warum wird dieses Finden nicht geringer?

Was zögerst du ganz wie zum ersten Mal
erwartungsvoll auf diesem Ulmenplatz,
der feucht und dunkel ist und nie betreten?

Und was verlockt dich für ein Gegensatz,
etwas zu suchen in den sonnigen Beeten,
als wärs der Name eines Rosenstocks?

Was stehst du oft? Was hören deine Ohren?
Und warum siehst du schließlich, wie verloren,
die Falter flimmern um den hohen Phlox.

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Gedicht: In einem fremden Park von Rainer Maria Rilke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „In einem fremden Park“ von Rainer Maria Rilke beschäftigt sich mit der Thematik des Verweilens, des Suchens und des Scheiterns in der Suche nach Bedeutung und Identität. Der Titel selbst suggeriert eine Fremdheit, eine Distanz zur eigentlichen Erfahrung, die durch die Beschreibung des Parks als Schauplatz noch verstärkt wird. Die beiden Wege, die ins Nichts führen, symbolisieren die Unmöglichkeit, einen klaren Weg in der Erfahrung zu finden, und die daraus resultierende Orientierungslosigkeit.

Die erste Strophe konzentriert sich auf das wiederholte Verweilen am Grabstein der Freiherrin Brite Sophie, was ein Gefühl der Zirkularität und des Festhaltens an einem toten Punkt erzeugt. Das wiederholte Lesen und Abtasten des Grabsteins zeugt von einem vergeblichen Versuch, eine Verbindung zur Vergangenheit oder zu einer anderen Person herzustellen. Der letzte Satz der Strophe wirft die zentrale Frage des Gedichts auf: Warum lässt dieses Finden, diese Beschäftigung mit dem Grabmal, nicht nach? Es deutet auf eine Sehnsucht nach etwas Unbekanntem hin, nach einer tieferen Bedeutung, die sich jedoch nicht offenbart.

In den folgenden Strophen wird die Frage nach dem „Warum“ wieder aufgegriffen, indem der Sprecher sich selbst fragt, was ihn in den dunklen, unbetretenen Ulmenplatz zieht. Der Kontrast zwischen der Dunkelheit des Ortes und der „sonnigen Beeten“ verstärkt das Gefühl des Widerspruchs und der Suche nach etwas, das eigentlich nicht gefunden werden kann. Die Metapher, etwas im Park zu suchen „als wärs der Name eines Rosenstocks“, deutet auf eine Suche nach flüchtigen, vergänglichen Dingen hin. Diese Suche führt schließlich zum Anblick der Falter, die um den hohen Phlox flimmern, was das Gefühl von Verlorenheit und Leere noch verstärkt.

Insgesamt ist das Gedicht ein melancholisches Spiegelbild des menschlichen Strebens nach Sinn in einer Welt, die oft fragmentiert und unverständlich erscheint. Die wiederholten Fragen des Sprechers und die Beschreibung der Umgebung erzeugen eine Atmosphäre der Melancholie und des Zweifelns. Der „fremde Park“ wird so zum Symbol für die Entfremdung des Einzelnen und die Suche nach einer Identität, die in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Vergänglichkeit des Lebens gefangen ist. Die abschließende Beobachtung der Falter verdeutlicht die Vergeblichkeit des Suchens und die letztendliche Auflösung in der Unendlichkeit.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.