Man liebt den alten Wein um seiner Geister willen,
Man kan durchs alte Geld die Manichäer stillen,
Man liebt das alte Bier, weils keine Hefen hat;
Doch alter Jungfern Blick kriegt bald ein Jüngling satt.
In ein Stambuch
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „In ein Stambuch“ von Sidonia Hedwig Zäunemann ist eine satirische Betrachtung über die Wertschätzung des Alten im Gegensatz zur schnellen Ermüdung an scheinbar Wertvollem, hier der jugendlichen Schönheit. Die Autorin wählt einen humorvollen, aber auch ironischen Ton, um eine Gesellschaftskritik zu üben. Das Gedicht ist in vier Zeilen verfasst, die jeweils einen Vergleich ziehen, um das zentrale Thema zu verdeutlichen.
Die ersten drei Zeilen präsentieren eine Reihe von Beispielen, in denen das Alte geschätzt wird: alter Wein, der wegen seiner „Geister“ – also seines Geschmacks und seiner Reife – geliebt wird; altes Geld, das dazu dient, die „Manichäer“ (Personen mit bestimmten Weltanschauungen) zufriedenzustellen; und altes Bier, das frei von Hefe ist. Diese Beispiele unterstreichen die Vorteile des Alters, der Reife und der Erfahrung. Sie suggerieren, dass der Wert einer Sache mit der Zeit sogar zunimmt.
Der Wendepunkt des Gedichts kommt in der letzten Zeile: „Doch alter Jungfern Blick kriegt bald ein Jüngling satt.“ Hier wird die Erwartung des Lesers unterlaufen. Während die vorherigen Beispiele die Vorzüge des Alterns preisen, wird nun die jugendliche Schönheit, repräsentiert durch den „Blick alter Jungfern“, schnell als langweilig oder uninteressant dargestellt. Der „Jüngling“ symbolisiert hier die jugendliche Unbeständigkeit und die schnelllebige Natur menschlicher Begierden.
Zäunemann nutzt diesen Kontrast, um eine subtile Kritik an der Oberflächlichkeit und der schnelllebigen Natur menschlicher Interessen zu üben. Sie zeigt auf, dass die Wertschätzung des Alters in bestimmten Bereichen der menschlichen Erfahrung – wie beim Wein oder beim Geld – akzeptiert ist, während in anderen Bereichen – hier der Beziehung zwischen einem jungen Mann und einer alten Jungfrau – die jugendliche Schönheit oft vorgezogen wird. Das Gedicht regt somit zum Nachdenken über die Vergänglichkeit von Schönheit und die oft widersprüchlichen menschlichen Wertvorstellungen an.
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Lizenz und Verwendung
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