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Im dunklen Erdteil Afrika

Von

Im dunklen Erdteil Afrika
Starb eine Ziehharmonika.
Sie wurde mit Musik begraben.
Am Grabe saßen zwanzig Raben.
Der Rabe Num′ro einundzwanzig
Fuhr mit dem Segelschiff nach Danzig
Und gründete dort etwas später
Ein Heim für kinderlose Väter.
Und die Moral von der Geschicht? –
Die weiss ich leider selber nicht.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Im dunklen Erdteil Afrika von Joachim Ringelnatz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Im dunklen Erdteil Afrika“ von Joachim Ringelnatz ist ein humorvolles und skurriles Gedicht, das mit seiner scheinbaren Sinnlosigkeit und der spielerischen Verwendung von Reim und Rhythmus den Leser amüsiert und gleichzeitig zum Nachdenken anregt. Es beginnt mit einer relativ ernsten Aussage über den Tod einer Ziehharmonika in Afrika, was den Leser in Erwartung einer tiefgründigen Geschichte wiegt. Die folgende Beschreibung der Begräbniszeremonie mit den zwanzig Raben verstärkt den surrealen Charakter des Gedichts.

Der zweite Teil des Gedichts nimmt eine unerwartete Wendung. Der Rabe Nummer einundzwanzig, der anscheinend eine wichtige Rolle in der Bestattung gespielt hat, segelt nach Danzig und gründet dort ein Heim für kinderlose Väter. Diese bizarre Entwicklung widerspricht jeglicher Erwartung und konterkariert die Erwartung einer logischen oder sinnvollen Handlung. Das Gedicht verlässt damit die Trauer um die Ziehharmonika und schlägt eine vollkommen neue Richtung ein, die jeglichen Bezug zur ursprünglichen Ausgangssituation verliert. Ringelnatz spielt hier mit den Erwartungen des Lesers und etabliert eine gewisse Absurdität, die das Gedicht so einzigartig macht.

Das Gedicht endet mit der rhetorischen Frage nach der Moral der Geschichte, auf die der Erzähler selbst keine Antwort hat. Diese Pointe verstärkt den humorvollen Charakter des Gedichts und macht deutlich, dass Ringelnatz hier nicht eine tiefgründige Botschaft vermitteln, sondern vielmehr mit Sprache und Erwartungen spielen möchte. Die fehlende Moral, oder genauer gesagt, die Aussage, dass es keine Moral gibt, ist selbst ein Kommentar auf die Erwartungshaltung der Leser und zeigt die Auflösung jeglicher konventioneller Erzählstrukturen.

Ringelnatz‘ Gedicht ist ein gutes Beispiel für seine verspielte und humorvolle Art, mit der er die Welt betrachtete. Es ist ein Gedicht, das sich bewusst der Erwartung nach Sinn und Tiefe entzieht und stattdessen mit der Absurdität des Lebens spielt. Der Reiz des Gedichts liegt in seiner Unvorhersehbarkeit und der Freude an der Sprachspielerei, die es zu einem bemerkenswerten Werk der deutschen Lyrik macht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.