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Ich hab am lichten Tag geschlafen…

Von

Ich hab am lichten Tag geschlafen.
Es weint das Kind. Es blökt das Rind.
In meinem Weidenbaume trafen
Sich Leiseklug und Lockenlind.

Kaum weiß ich noch, warum ich lebe.
Vereist mein Blick. Mein Blut verstürmt.
Wenn ich die Brust im Atem hebe,
Sind Felsen über sie getürmt.

Die Schwester auch am Nebelhafen,
Sie bietet süße Brust dem Wind.
Vor klingender Taverne trafen
Sie Leiseklug und Lockenlind.

Den Sternen, die am Himmel pochten,
Warf Köcher ich und Becher hin.
Ich bin mit Mohn und Tod verflochten
Und weiß nicht mehr, ob ich noch bin.

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Gedicht: Ich hab am lichten Tag geschlafen... von Klabund

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ich hab am lichten Tag geschlafen…“ von Klabund ist eine melancholische und introspektive Betrachtung eines Zustands der Verzweiflung und des Verlustes. Der Dichter schildert eine innere Leere, die von einer tiefen Traurigkeit begleitet wird, und verwebt dabei Bilder der Natur und des menschlichen Lebens zu einem vielschichtigen Gewebe aus Gefühlen und Eindrücken. Die Verwendung von kurzen, prägnanten Versen verstärkt den Eindruck der Beklommenheit und der Orientierungslosigkeit.

Die ersten beiden Strophen etablieren ein Gefühl der Isolation und des Entfremdetseins. Der Erzähler scheint in einem Zustand der Teilnahmslosigkeit zu verharren, der durch das „Schlafen am lichten Tag“ symbolisiert wird. Die weinende Kind und das blökende Rind stehen im Kontrast zur inneren Stille des Dichters und verdeutlichen die Kluft zwischen seiner Gefühlswelt und der äußeren, lebendigen Welt. Die Erwähnung von „Leiseklug und Lockenlind“ im Weidenbaum, scheinbar zwei Figuren von Bedeutung, deutet auf eine Vergangenheit hin, in der der Dichter vielleicht Liebe oder Gesellschaft suchte, aber nun scheint er sie verloren zu haben. Die Zeilen „Vereist mein Blick. Mein Blut verstürmt. / Wenn ich die Brust im Atem hebe, / Sind Felsen über sie getürmt“ illustrieren eine körperliche und emotionale Lähmung, eine überwältigende Schwere, die das Atmen erschwert.

Die dritte Strophe wiederholt das Motiv der Begegnung von „Leiseklug und Lockenlind“, diesmal vor einer „klingenden Taverne“. Dies verstärkt das Gefühl des Verlustes und der unerreichbaren Freuden. Die Schwester am Nebelhafen, die dem Wind ihre „süße Brust“ darbietet, könnte als ein Symbol für verlockende, aber unerreichbare Möglichkeiten gesehen werden. Die Erwähnung des Nebels verstärkt die Atmosphäre der Unbestimmtheit und des verschwommenen Verständnisses, in der sich der Dichter befindet.

Die abschließende Strophe kulminiert in einem Gefühl der Auflösung und des Verlustes der eigenen Identität. Das Werfen von „Köcher“ und „Becher“ zu den Sternen, könnte ein Akt der Hingabe oder des Abschieds von der Welt sein. Die Verbindung mit „Mohn und Tod“ ist ein starkes Bild, das auf eine Sehnsucht nach Frieden und Vergessenheit hinweist, vielleicht sogar auf einen Wunsch nach dem Tod, der als Erlösung von dem Schmerz der Existenz gesehen wird. Der letzte Vers „Und weiß nicht mehr, ob ich noch bin“ drückt die ultimative Verzweiflung und das Verloren sein im Abgrund der eigenen Seele aus, die Identität selbst scheint aufgelöst.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.