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Hochzeit-Fragen

Von

Was ist die Jungferschafft? Ein Quintgen Hudeley,
Das zehnmahl schwerer ist, als sonst ein Centner Bley.
Doch was ist eine Braut? Ein Ding, das gerne küst,
Und weder eine Frau noch eine Jungfer ist.
Was ist ein Bräutigam? Ein Mann und nicht ein Mann,
Dieweil er sich noch nicht der Mannheit rühmen kan.
Was mag das Jawort seyn? Es ist das erste Spiel,
Wann man das Leder nun mit Ernst verkauffen will.
Sagt, was Verlöbniß ist? Ein angestelltes Fest,
Davor man in der Kirch am letzten bitten läst.
Was ist das Auffgebot? Es ist ein später Fleiß,
Darinn erzehlet wird, was sonst ein jeder weiß.
Was ist das Hochzeit-Fest? Es ist ein warmes Bad,
Darinnen Wirth und Gast was auszuschwietzen hat.
Was mag die Trauung seyn? Die Zeit, da man verehrt,
Was einem sonst mit Recht und Ehren zugehört.
Was ist ein Junggesell? Ein Affe, der das Spiel,
Dem Herren Bräutigam flugs abstudiren will.
Was ist ein Jungfergen? Es ist ein Gläßgen Wein,
Das niemand trincken darff, wann alle durstig seyn.
Was ist die erste Nacht? Die Hochzeit in der That,
Da manche mehr gehofft, als sie zu kosten hat.
Was ist die ander Nacht? Ein süsser Ubertruß,
Da man die alte Schuld von gestern zahlen muß.
Was ist die dritte Nacht? Es ist die Rennebahn,
Da man auffhören muß, wann mans am besten kan.
Was ist die Jungefrau? Es ist ein loser Sack,
Der in der Compagnie auch garstig reden mag.
Was ist der Ehstand selbst? Es ist ein Vogel-Hauß,
Die draussen wollen nein, die drinne wollen rauß.
Was ist das erste Kind? ein Schmertz, wenns bald bekleibt.
Ein Schimpf, wenns zeitlich kommt, ein Hohn, wenns aussen bleibt.
Was ist das andre Kind? es ist ein guter Rath
Vor Leute, welche man gern zu Gevattern hat.
Was ist das dritte Kind? ein ungebetner Gast,
Des Vatters Geld-verderb, der Mutter Uberlast.
Was ist das vierdte Kind? es ist ein gutes Ziel,
Nach diesen sage man, zuviel, zuviel, zuviel.
Was ist das fünffte Kind? mit diesen heist es wol,
Ich esse was mir schmeckt, und leide was ich sol.
Was sind die Söhnigen? Ein Volck das nichts erwirbt,
Und da des Beutels Krafft, als an der Schwindsucht, stirbt.
Was sind die Töchtergen? die kosten wenig Geld,
Biß alle Pestilentz auff ihre Hochzeit fällt.
Was ist die beste Lust? Wann man nicht viel begehrt,
Und wenn das Wenige fein gut und lange währt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Hochzeit-Fragen von Christian Weise

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Hochzeit-Fragen“ von Christian Weise ist eine humorvolle und pointierte Satire auf die Institution der Ehe und ihre verschiedenen Aspekte. Der Autor nutzt eine Reihe rhetorischer Fragen, um verschiedene Begriffe rund um die Hochzeit zu definieren und zu kommentieren, wobei er von der Jungfräulichkeit bis hin zu den Kindern nach der Hochzeit alle wichtigen Stationen des Ehelebens beleuchtet.

Weises Antworten sind oft ironisch, sarkastisch und voller schwarzem Humor. So wird die Jungfräulichkeit als „Quintgen Hudeley“ (eine Last) beschrieben, während die Braut als jemand charakterisiert wird, „das gerne küsst, / Und weder eine Frau noch eine Jungfer ist“. Der Bräutigam ist ein Mann, „und nicht ein Mann“, da er sich „noch nicht der Mannheit rühmen kan“. Das Jawort ist das „erste Spiel“, die Trauung die Zeit, in der man verehrt, „Was einem sonst mit Recht und Ehren zugehört“. Diese Formulierungen dekonstruieren die romantische Vorstellung der Ehe und präsentieren stattdessen eine nüchterne, manchmal zynische Sichtweise.

Die zweite Hälfte des Gedichts konzentriert sich auf die Folgen der Ehe, insbesondere auf die Kinder. Hier wird die Ironie noch deutlicher. Das erste Kind wird als „Schmertz“ oder „Schimpf“ bezeichnet, je nachdem, ob es zu früh oder zu spät kommt. Jedes weitere Kind wird mit zunehmendem Sarkasmus betrachtet, wobei das vierte Kind „ein gutes Ziel“ und das fünfte Kind eine Ermahnung ist, die persönlichen Grenzen zu akzeptieren. Die Töchter sind billig bis sie heiraten, während die Söhne nur Geld kosten. Die abschließende „beste Lust“ liegt in Bescheidenheit, wenn man nicht zu viel begehrt und das Wenige lange währt.

Die Satire von Weise ist nicht nur unterhaltsam, sondern wirft auch Fragen nach den gesellschaftlichen Erwartungen und den tatsächlichen Erfahrungen der Ehe auf. Die sprachliche Gestaltung, die sich durch einfache Reime und eine klare, direkte Sprache auszeichnet, verstärkt den Effekt der Ironie. Das Gedicht ist somit ein Spiegelbild seiner Zeit, das die Widersprüche und die oft unbequemen Wahrheiten der Ehe in einer humorvollen und gleichzeitig nachdenklichen Weise aufzeigt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Hochzeit-Fragen“ ein satirisches Meisterwerk ist, das durch seine bissige Ironie und seinen scharfen Blick auf die Realität der Ehe bis heute relevant ist. Weise entlarvt die Ideale und Illusionen, die oft mit der Ehe verbunden sind, und präsentiert stattdessen eine Welt, in der Glück und Unglück, Freude und Leid eng miteinander verwoben sind.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.