Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , ,

Hochbild

Von

Die Sonne, Helios der Griechen,
Fährt prächtig auf der Himmelsbahn,
Gewiß, das Weltall zu besiegen,
Blickt er umher, hinab, hinan.

Er sieht die schönste Göttin weinen,
Die Wolkentochter, Himmelskind,
Ihr scheint er nur allein zu scheinen;
Für alle heitre Räume blind,

Versenkt er sich in Schmerz und Schauer,
Und häuf′ger quillt ihr Tränenguß:
Er sendet Lust in ihre Trauer
Und jeder Perle Kuß auf Kuß.

Nun fühlt sie tief des Blicks Gewalten,
Und unverwandt schaut sie hinauf;
Die Perlen wollen sich gestalten:
Denn jede nahm sein Bildnis auf.

Und so, umkränzt von Farb und Bogen,
Erheitert leuchtet ihr Gesicht,
Entgegen kommt er ihr gezogen;
Doch er, doch ach! erreicht sie nicht.

So, nach des Schicksals hartem Lose,
Weichst du mir, Lieblichste, davon;
Und wär ich Helios der Große,
Was nützte mir der Wagenthron?

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Hochbild von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Hochbild“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine melancholische Reflexion über unerwiderte Liebe und das Scheitern trotz scheinbarer Macht und Größe. Es bedient sich der griechischen Mythologie, um die Emotionen und das Dilemma des lyrischen Ichs auszudrücken, das die Rolle des Sonnenkönigs Helios einnimmt.

Die erste Hälfte des Gedichts beschreibt die unglückliche Liebe Helious zu einer Göttin, die als „Wolkentochter“ bzw. „Himmelskind“ charakterisiert wird. Helios, der als mächtiger Sonnengott das gesamte Universum zu beherrschen scheint, ist blind für alles außer der Trauer der Geliebten. Er konzentriert sich ausschließlich auf sie, spendet ihr „Lust in ihre Trauer“ und verwandelt ihre Tränen in Perlen, die sein Bildnis tragen. Dieses Bild erzeugt eine beeindruckende Ambivalenz: Einerseits demonstriert Helios seine Liebe und Macht, andererseits wird durch die Tränen und die Trauer der Göttin die unglückliche Natur dieser Liebe verdeutlicht.

Die zweite Hälfte des Gedichts enthüllt die bittere Erkenntnis, dass selbst die höchste Macht und die großartigsten Gesten nicht ausreichen, um die Liebe zu gewinnen oder zu halten. Die Göttin, von dem Abbild Helios‘ in ihren Perlen berührt, erhebt sich schließlich in einem Bogen des Regenbogens, während Helios sie nicht erreichen kann. Diese Szene symbolisiert die Unnahbarkeit der Geliebten und die Unfähigkeit des lyrischen Ichs, trotz all seiner Bemühungen, eine Verbindung zu ihr herzustellen. Das Gedicht kulminiert in dem resignierten Ausruf, der die Tragik der Situation zusammenfasst: Selbst als Helios, der mächtigste Himmelskörper, würde das lyrische Ich die Geliebte verlieren.

Goethes Sprache ist geprägt von klassischer Eleganz und einer klaren Bildsprache. Die Verwendung des Mythos verleiht dem Gedicht eine universelle Gültigkeit und ermöglicht es, die zeitlose Thematik der unerwiderten Liebe in einer ergreifenden Weise darzustellen. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Beschreibung einer unerfüllten Liebe, sondern auch eine Reflexion über die Grenzen menschlicher Macht und die Unberechenbarkeit des Schicksals. Die abschließenden Verse unterstreichen die Vergänglichkeit und das Scheitern, das selbst die mächtigsten Wesen erfahren können.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.