Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
,

Halmorakel

Von

Ein Halm, der macht mich heute froh.
Er sagte, mir solle Gutes geschehen.
Ich maß an einem Stück Stroh,
wie ich bei Kindern oft gesehen.
Nun hört, ob ich in ihrem Herzen ruh:
„Sie liebt, liebt nicht, sie liebt.“
Wie ich auch dehnt die Hände
„Sie liebt mich“, hieß es stets am Ende.
Des war ich froh; nur – Glaub′ gehört dazu.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Halmorakel von Walther von der Vogelweide

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Halmorakel“ von Walther von der Vogelweide ist ein charmantes, kurzes Gedicht, das die spielerische Unschuld der Liebe und die Unsicherheit, die damit einhergeht, einfängt. Es nutzt die einfache, volkstümliche Tradition des „Blümchenpflückens“ – hier ersetzt durch einen Halm – um die Gunst der Geliebten zu ergründen. Der Dichter verwendet eine kindliche Methode der Wahrsagung, um seine Hoffnungen und Ängste in Bezug auf die Liebe zu artikulieren.

Die erste Strophe deutet die fröhliche Erwartung des Dichters an. Der Halm wird zum Orakel, das ihm ein „Gutes“ verspricht. Diese einfache Freude spiegelt die kindliche Unbekümmertheit wider, mit der junge Menschen sich der Liebe nähern. Die zweite Strophe beschreibt das eigentliche Ritual: Der Dichter verwendet das Strohhalmspiel, das er von Kindern kennt, um die Zuneigung der Angebeteten zu ergründen. Die wiederholten Zeilen „Sie liebt, liebt nicht, sie liebt“ verdeutlichen die Ungewissheit und die Hoffnung, die im Herzen des Liebenden schwelt.

Die dritte Strophe bringt die Erleichterung des Dichters zum Ausdruck. Egal wie er die Hände bewegt, das Ergebnis ist stets positiv: „Sie liebt mich“. Der Abschluss des Gedichts ist jedoch von einer subtilen Melancholie geprägt: „Des war ich froh; nur – Glaub‘ gehört dazu.“ Hier wird die Bedeutung von Glauben oder Vertrauen hervorgehoben. Die reine Freude über die scheinbar positiven Ergebnisse wird durch das Bewusstsein der Unsicherheit und der Notwendigkeit, an die Worte des Orakels zu glauben, gedämpft.

Die Stärke des Gedichts liegt in seiner Einfachheit und Direktheit. Walther von der Vogelweide vermeidet kunstvolle Metaphern und komplizierte Sprache und konzentriert sich stattdessen auf die emotionalen Erfahrungen des Liebenden. Es ist ein universelles Gedicht über die Hoffnung, die Unsicherheit und das Vertrauen, die mit der Liebe verbunden sind – ein Thema, das bis heute relevant ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.