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Gräber an der Küste

Von

Mit Kränzen haben wir das Grab geschmückt,
Die stille Wiege unsrer jungen Toten;
Den grünsten Efeu haben wir gepflückt,
Die spätsten Astern, die das Jahr geboten.

Hier ruhn sie waffenlos in ihrer Gruft,
Die man hinaustrug aus dem Pulverdampfe;
Vom Strand herüber weht der Meeresduft,
Die Schläfer kühlend nach dem heißen Kampfe.

Es steigt die Flut; vom Ring des Deiches her
Im Abendschein entbrennt der Wasserspiegel;
Ihr schlafet schön! Das heimatliche Meer
Wirft seinen Glanz auf euren dunklen Hügel.

Und rissen sie die Farben auch herab,
Für die so jung ihr ginget zu den Bleichen,
Oh, schlafet ruhig! Denn von Grab zu Grab
Wehn um euch her der Feinde Wappenzeichen.

Nicht euch zum Ruhme sind sie aufgesteckt;
Doch künden sie, daß eure Kugeln trafen,
Daß, als ihr euch zur ew′gen Ruh gestreckt,
Den Feind ihr zwanget, neben euch zu schlafen.

Ihr aber, denen ohne Trommelschlag
Durch Feindeshand bereitet ward der Rasen,
Hört dieses Lied! und harret auf den Tag,
Daß unsre Reiter hier Reveille blasen! –

Doch sollte dieser heiße Lebensstreit
Verlorengehn wie euer Blut im Sande
Und nur im Reiche der Vergangenheit
Der Name leben dieser schönen Lande:

In diesem Grabe, wenn das Schwert zerbricht,
Liegt deutsche Ehre fleckenlos gebettet!
Beschützen konntet ihr die Heimat nicht,
Doch habt ihr sterbend sie vor Schmach gerettet.

Nun ruht ihr, wie im Mutterschoß das Kind,
Und schlafet aus auf heimatlichem Kissen;
Wir andern aber, die wir übrig sind,
Wo werden wir im Elend sterben müssen!

Schon hatten wir zu festlichem Empfang
Mit Kränzen in der Hand das Haus verlassen;
Wir standen harrend ganze Nächte lang,
Doch nur die Toten zogen durch die Gassen. –

So nehmet denn, ihr Schläfer dieser Gruft,
Die spätsten Blumen, die das Jahr geboten!
Schon fällt das Laub im letzten Sonnenduft –
Auch dieses Sommers Kranz gehört den Toten.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Gräber an der Küste von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Gräber an der Küste“ von Theodor Storm ist eine tiefgreifende Elegie, die die Trauer über den Verlust junger Soldaten in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig eine Reflexion über Krieg, Heimat und die Vergänglichkeit des Lebens darstellt. Das Gedicht zeichnet sich durch seine melancholische Stimmung und die bildhafte Sprache aus, die die Atmosphäre der Küstenlandschaft mit der Tragik des Krieges verbindet. Die Verse sind von tiefer Ehrfurcht vor den Gefallenen geprägt und drücken das Gefühl der Sinnlosigkeit des Krieges aus, da das Leben junger Menschen abrupt beendet wurde.

Die erste Strophe beginnt mit dem Schmücken der Gräber mit Kränzen und Blumen, ein Symbol für die Ehre und den Respekt, den die Überlebenden den Toten entgegenbringen. Das „grünste Efeu“ und die „spätesten Astern“ unterstreichen die Jahreszeit und erzeugen eine Atmosphäre der Abschiedlichkeit und des Gedenkens. Die folgenden Strophen beschreiben die Ruhe der Toten in ihren Gräbern am Ufer, während der „Meeresduft“ und das „heimatliche Meer“ die Verbindung zur Heimat verdeutlichen. Storm nutzt Bilder der Natur, um die Tragik des Todes und die Hoffnung auf Frieden widerzuspiegeln. Die „Feinde Wappenzeichen“, die an den Gräbern wehen, symbolisieren das bittere Erbe des Krieges und die Ironie, dass die Toten nun vereint ruhen.

Das Gedicht entwickelt sich von einer Beschreibung der Beerdigung und des Gedenkens zu einer tiefen Reflexion über den Wert des Lebens und die Tragödie des Krieges. Der Dichter spricht die Toten direkt an und versucht, ihnen Trost zu spenden, indem er ihren Mut und ihre Opferbereitschaft hervorhebt. Die Worte „Ihr aber, denen ohne Trommelschlag / Durch Feindeshand bereitet ward der Rasen“ drücken das Gefühl der Ungerechtigkeit aus, dass diese jungen Männer ihr Leben auf so brutale Weise verloren haben. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, symbolisiert durch das „Reveille“ der Reiter, kontrastiert mit der Verzweiflung über den Verlust und die Ungewissheit der Zukunft.

In den letzten Strophen wird die tiefe Trauer und der Verlust, den die Überlebenden empfinden, noch deutlicher. Die Zeilen „Wir andern aber, die wir übrig sind, / Wo werden wir im Elend sterben müssen!“ zeugen von der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit, die im Angesicht des Todes und der Zerstörung entstehen. Die Metapher vom „Mutterschoß“ für das Grab und das „heimatliche Kissen“ für die Ruhestätte der Toten verstärkt das Gefühl der Geborgenheit und des Friedens, das den Toten im Gegensatz zu den Überlebenden zuteilwurde. Das Gedicht endet mit dem Bild der fallenden Blätter, ein weiteres Symbol für die Vergänglichkeit und das Ende des Lebens, und unterstreicht die Trauer über den Verlust und das Gefühl der Abschiedlichkeit.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.