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Gesang der Ungeborenen

Von

Vater, dir drohet nichts,
Siehe, es schwindet schon,
Mutter, das Ängstliche,
Das dich beirrte!
Wäre denn je ein Fest,
Wären nicht insgeheim
Wir die Geladenen,
Wir auch die Wirte?

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Gedicht: Gesang der Ungeborenen von Hugo von Hofmannsthal

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Gesang der Ungeborenen“ von Hugo von Hofmannsthal eröffnet einen Blick in eine ungewöhnliche Perspektive: die der ungeborenen Kinder, die sich an ihre Eltern wenden. Es ist ein Zwiegespräch, eine Anrufung, die eine paradoxe Heiterkeit und eine tiefe Weisheit in sich trägt. Der Autor greift hier ein faszinierendes Konzept auf, indem er die Vorstellung des Lebens vor der Geburt nutzt, um über Vergänglichkeit, Vertrauen und die Verbundenheit von Generationen nachzudenken.

Die ersten Zeilen sind von einer beruhigenden Geste der Fürsorge geprägt. Die ungeborenen Kinder trösten den Vater und die Mutter und beschwichtigen ihre Ängste. Die Betonung des „Schwindens“ des Ängstlichen deutet auf die Sorge der Eltern, die vielleicht mit der Erwartung eines neuen Lebens verbunden ist. Durch die Zeilen „Wäre denn je ein Fest / Wären nicht insgeheim / Wir die Geladenen, / Wir auch die Wirte?“ wird eine subtile, aber wirkungsvolle Metapher eingeführt. Die Geburt wird als ein Fest verstanden, bei dem die ungeborenen Kinder sowohl die Gäste als auch die Gastgeber sind.

Dieser Vergleich lenkt die Aufmerksamkeit auf die grundlegende Verbundenheit zwischen dem Leben und dem Tod, dem Werden und Vergehen. Die „Geladenen“ und „Wirte“ zu sein impliziert, dass die ungeborenen Kinder Teil eines zyklischen Prozesses sind. Sie sind sowohl die Empfänger als auch die Geber des Lebens, was auf eine tiefe Akzeptanz der menschlichen Existenz und ihrer Vergänglichkeit hindeutet. Hofmannsthal vermeidet eine düstere oder beängstigende Darstellung der Ungeborenheit, sondern nutzt die Perspektive, um einen liebevollen, verständnisvollen Blick auf das Leben und seine Vorbereitung zu werfen.

Die Sprache des Gedichts ist einfach und doch tiefgründig, frei von komplizierten Bildern oder rhetorischen Schnörkeln. Durch diese Einfachheit erreicht das Gedicht eine universelle Gültigkeit, die über die spezifische Situation hinausgeht. Es berührt Themen wie die Verantwortung, die Eltern tragen, und die Verbindung aller Generationen. Das Gedicht ist so nicht nur ein Gesang der Ungeborenen, sondern auch eine Reflexion über die Natur des Lebens selbst und das ewige Spiel von Geburt und Tod.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.