Frühlingsgestirn
Wie flammst du heut so mächtig wieder,
Als zöge dich zur Erde nieder
Die Sehnsucht einer ew′gen Macht.
So herrlich sehn wir dich entbrennen,
Daß wir dich Stern der Liebe nennen,
Du hellster in der Frühlingsnacht!
Bist du des Himmels gold′ne Zähre –
Die über uns und unsere Sphäre
Ein Engel der Erbarmung weint?
Sind wohl auf dir die Friedensauen,
Wo Seelen einst sich wiederschauen
Nach Leid′ und Todesschmerz vereint?
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Frühlingsgestirn“ von Hermann Lingg ist eine lyrische Anrufung des Sterns in der Frühlingsnacht, vermutlich der Venus oder eines anderen hellen Planeten. Es drückt Bewunderung, Sehnsucht und eine gewisse Erhabenheit aus, die von dem leuchtenden Himmelskörper ausgeht. Die ersten sechs Verse schildern die beeindruckende Erscheinung des Sterns, dessen Leuchten als so kraftvoll beschrieben wird, dass er wie von einer Sehnsucht zur Erde gezogen erscheint. Diese Vorstellung verleiht dem Stern eine menschliche Qualität, als ob er Gefühle der Sehnsucht nach sich trägt und eine Verbindung zur irdischen Welt hat. Die Bezeichnung „Stern der Liebe“ deutet auf die romantische Symbolik des Himmelskörpers hin, der in der Frühlingsnacht besonders hell erstrahlt.
Die zweite Strophe lenkt den Blick von der rein sinnlichen Wahrnehmung auf eine tiefere, metaphysische Ebene. Der Stern wird mit einer „gold′ne Zähre“ des Himmels verglichen, die als Zeichen des Mitgefühls und der Barmherzigkeit interpretiert werden kann. Diese Metapher deutet auf eine religiöse oder spirituelle Dimension hin. Es wird die Frage nach der Existenz von „Friedensauen“ auf dem Stern aufgeworfen, einem Ort, an dem Seelen nach Leid und Tod wiedervereinigt werden können. Dies impliziert eine Hoffnung auf Trost und Erlösung über das irdische Dasein hinaus.
Der Gebrauch von rhetorischen Fragen unterstreicht die Suche nach Sinn und die Ungewissheit des Sprechers. Lingg nutzt einen bildreichen Sprachstil, um die Faszination des Sterns zu vermitteln und die Sehnsucht nach etwas Höherem auszudrücken. Die Beschreibungen des Sterns als leuchtend und mächtig stehen im Kontrast zur Fragilität der menschlichen Existenz, die durch das Leid und den Tod gekennzeichnet ist.
Insgesamt ist das Gedicht eine Reflexion über die menschliche Suche nach Bedeutung und Trost angesichts der Unendlichkeit des Kosmos. Es verbindet die Bewunderung für die Schönheit der Natur mit religiösen oder spirituellen Fragen. Das Gedicht appelliert an Gefühle von Sehnsucht, Hoffnung und dem Wunsch nach Überwindung von Leid. Es ist eine feierliche Ode an den Stern, die gleichzeitig eine Meditation über Leben und Tod darstellt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.