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Fronleichnamsprozession

Von

O weites Land des Sommers und der Winde,
Der reinen Wolken, die dem Wind sich bieten.
Wo goldener Weizen reift und die Gebinde
Des gelben Roggens trocknen in den Mieten.

Die Erde dämmert von den Düften allen,
Von grünen Winden und des Mohnes Farben,
Des schwere Köpfe auf den Stielen fallen
Und weithin brennen aus den hohen Garben.

Des Feldwegs Brücke steigt im halben Bogen,
Wo helle Wellen weiße Kiesel feuchten.
Die Wassergräser werden fortgezogen,
Die in der Sonne aus dem Bache leuchten.

Die Brücke schwankt herauf die erste Fahne.
Sie flammt von Gold und Rot. Die Seidenquasten
Zu beiden Seiten halten Kastellane
Im alten Chorrock, dem von Staub verblaßten.

Man hört Gesang. Die jungen Priester kommen.
Barhäuptig gehen sie vor den Prälaten.
Zu Flöten schallt der Meßgesang. Die frommen
Und alten Lieder wandern durch die Saaten.

In weißen Kleidchen kommen Kinder singend.
Sie tragen kleine Kränze in den Haaren.
Und Knaben, runde Weihrauchkessel schwingend,
Im Spitzenrock und roten Festtalaren.

Die Kirchenbilder kommen auf Altären.
Mariens Wunden brennen hell im Licht.
Und Christus naht, von Blumen bunt, die wehren
Die Sonne von dem gelben Holzgesicht.

Im Baldachine glänzt des Bischofs Krone.
Er schreitet singend mit dem heiligen Schrein.
Der hohe Stimmenschall der Diakone
Fliegt weit hinaus durch Land und Felderreihn.

Der Truhen Glanz weht um die alte Tracht.
Die Kessel dampfen, drin die Kräuter kohlen.
Sie ziehen durch der weiten Felder Pracht,
Und matter glänzen die vergilbten Stolen.

Der Zug wird kleiner. Der Gesang verhallt.
Sie ziehn dahin, dem grünen Wald entgegen.
Er tut sich auf. Der Glanz verzieht im Wald,
Wo goldne Stille träumt auf dunklen Wegen.

Der Mittag kommt. Es schläft das weite Land,
Die tiefen Wege, wo die Schwalbe schweift,
Und eine Mühle steht am Himmelsrand,
Die ewig nach den weißen Wolken greift.

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Gedicht: Fronleichnamsprozession von Georg Heym

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Fronleichnamsprozession“ von Georg Heym beschreibt in eindrucksvollen Bildern eine Prozession durch die sommerliche Landschaft. Es beginnt mit einer breiten Beschreibung der Natur, die als Bühne für das religiöse Geschehen dient. Die ersten beiden Strophen malen ein lebendiges Bild des sonnendurchfluteten Landes, in dem die Elemente des Sommers – goldener Weizen, Mohnblumen, sanfte Winde – ineinandergreifen. Diese Naturschilderung schafft eine Atmosphäre der Fülle und des Überflusses, die den Kontrast zur folgenden sakralen Szenerie verstärkt.

In den folgenden Strophen rückt die Prozession selbst ins Zentrum der Betrachtung. Heym beschreibt detailliert die einzelnen Elemente des Zuges: die Fahnen, die Priester, die Kinder in ihren weißen Gewändern, die Weihrauchkessel und die Kirchenbilder. Die Farben spielen dabei eine wichtige Rolle: Gold, Rot, Weiß und die Farben der Blumen dominieren das Bild. Die Klänge der Gesänge und das Schwingen der Weihrauchkessel vermitteln einen Eindruck von Festlichkeit und religiöser Inbrunst. Die Erwähnung von Mariens Wunden und der Darstellung Christi in Verbindung mit Blumen unterstreicht die tiefe Religiosität der Szene.

Das Gedicht etabliert eine Spannung zwischen dem irdischen und dem spirituellen Bereich. Während die Prozession selbst eine Feier des Glaubens darstellt, wird die umgebende Natur als etwas völlig Anderes, aber doch Eng Verbundenes dargestellt. Der Fluss, die Felder und die Mühle werden als Teil des Schauplatzes betrachtet und verstärken die sakrale Atmosphäre. Das Gedicht gipfelt in der Beschreibung des Bischofs und des Schreins, die den Höhepunkt der Prozession markieren. Der Übergang vom Gesang zur Stille im Wald deutet auf die Vergänglichkeit des irdischen Glanzes hin.

Die letzten Strophen markieren einen Übergang. Die Prozession verliert sich im Wald, die Klänge verklingen. Die Stille des Waldes steht im Kontrast zur vorherigen Festlichkeit, und die Natur scheint sich wieder zu erholen. Das Land schläft, und die Mühle am Horizont, die nach den Wolken greift, symbolisiert eine Sehnsucht nach etwas Höherem. Heym verbindet in diesem Gedicht Natur, Religion und Vergänglichkeit und schafft so ein komplexes Bild von Schönheit und Melancholie. Es ist eine Ode an die flüchtige Schönheit und die tiefe Spiritualität, die in der Verbindung von Mensch und Natur zum Ausdruck kommt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.