Frauensegen
Schreitest unter deinen Frau′n
Und du lächelst oft beklommen:
Sind so bange Tage kommen.
Weiß verblüht der Mohn am Zaun.
Wie dein Leib so schön geschwellt
Golden reift der Wein am Hügel.
Ferne glänzt des Weihers Spiegel
Und die Sense klirrt im Feld.
In den Büschen rollt der Tau,
Rot die Blätter niederfließen.
Seine liebe Frau zu grüßen
Naht ein Mohr dir braun und rauh.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Frauensegen“ von Georg Trakl ist eine düstere und melancholische Betrachtung der Schwangerschaft und der damit verbundenen Ängste und Hoffnungen, eingebettet in eine Landschaft voller Vergänglichkeit und drohendem Unheil. Das Gedicht beginnt mit dem Bild einer Frau, die inmitten anderer Frauen schreitet und dabei ein „beklommenes“ Lächeln zeigt. Dies deutet bereits auf eine innere Unruhe und die Anwesenheit von Sorgen hin. Die „bangen Tage“, die folgen, lassen erahnen, dass die Freude über die Schwangerschaft von Ängsten überschattet wird, vielleicht von der Sorge um die Zukunft des Kindes oder der eigenen Gesundheit.
Die Natur spielt eine zentrale Rolle in der Darstellung dieser Gefühle. Der „weiß verblühte Mohn am Zaun“ symbolisiert das Ende der Blütezeit und den beginnenden Verfall. Die Beschreibung des „schwellten“ Leibes der Frau wird mit dem „golden reifenden Wein am Hügel“ verglichen, wodurch eine Verbindung von Fruchtbarkeit und Reife hergestellt wird. Doch auch hier liegt ein Hauch von Melancholie, denn der Wein steht für das Ende des Sommers und den Beginn des Herbstes, eine Zeit des Wandels und des Abschieds. Die „ferne glänzt des Weihers Spiegel“ und „die Sense klirrt im Feld“ deuten auf eine drohende Ernte und den Kreislauf von Leben und Tod hin, wodurch die Atmosphäre des Gedichts weiter verdichtet wird.
In der zweiten Strophe verschiebt sich der Fokus auf die herbstliche Natur und die herannahende Dunkelheit. Der „Tauw“ rollt in den Büschen, und die Blätter „fließen“ rot nieder, ein Bild der Zersetzung und des Verfalls. Der Höhepunkt des Gedichts ist die Ankunft eines „Mohrs“, der die Frau „braun und rauh“ grüßt. Diese Figur, oft als Symbol für das Fremde, das Unbekannte oder sogar das Böse interpretiert, könnte hier die Angst vor der Zukunft oder die Sorge vor dem Unbekannten im Zusammenhang mit der Schwangerschaft verkörpern.
Trakls Gedicht ist geprägt von einer starken Bildsprache und einer Atmosphäre des Untergangs und der Vergänglichkeit. Die Natur dient als Spiegelbild der inneren Gefühle der Frau, und die düstere Stimmung wird durch die Wahl der Worte und Bilder verstärkt. Das Gedicht wirft Fragen nach den Ängsten und Hoffnungen, die mit der Mutterschaft verbunden sind, und deutet auf die ständige Präsenz von Tod und Vergänglichkeit im menschlichen Leben hin. Es ist ein eindringliches Porträt der Zerbrechlichkeit und des Wandels, dem alles Leben unterworfen ist.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.