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Flutet mir in diese trübe Reise…

Von

Flutet mir in diese trübe Reise
Deines Herzens warme Bahn entgegen?
Nur noch Stunden und ich werde leise
meine Hände in die deinen legen:
o wie lange ruhten sie nicht aus.
Kannst du dir denn denken, daß ich Jahre
so: ein Fremder unter Fremden fahre?
Und nun endlich nimmst du mich nach Haus.

Siehst du, selbst um das Gestirn zu schauen,
brauchts ein kleines irdisches Beruhn,
denn Vertrauen kommt nur aus Vertrauen,
Alles Wohltun ist ein Wiedertun.
Ach die Nacht verlangte nichts von mir.
Doch wenn ich mich zu den Sternen kehrte,
der Versehrte an das Unversehrte:
Worauf stand ich? War ich hier?

Ach wie Wind durchging ich die Gesträuche,
jedem Haus entdrang ich wie ein Rauch,
wo sich andre freuten in Gebräuche
blieb ich strenge wie ein fremder Brauch.
Meine Hände gingen schreckhaft ein
in der andern schicksalvolle Schließung;
Alle, alle mehrte die Ergießung:
und ich konnte nur vergossen sein.

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Gedicht: Flutet mir in diese trübe Reise... von Rainer Maria Rilke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Flutet mir in diese trübe Reise…“ von Rainer Maria Rilke ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Einsamkeit, Sehnsucht und dem Wunsch nach Geborgenheit und Heimat. Es drückt eine tiefe Erschöpfung aus, die aus dem Gefühl der Entfremdung und des Fremdseins resultiert, und artikuliert den sehnlichen Wunsch nach Trost und Rückkehr. Der Dichter beschreibt eine „trübe Reise“, die metaphorisch für das Leben selbst steht, und bittet sein Gegenüber, ihm auf dieser Reise entgegenzukommen. Dies deutet auf eine Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Wärme und Verbindung hin, nach jemandem, der ihm Halt und Verständnis bietet.

Im Zentrum des Gedichts steht die Erschöpfung, die durch die Einsamkeit und das Gefühl, ein „Fremder unter Fremden“ zu sein, verursacht wird. Die „Hände“, die „lange ruhten sie nicht aus“, symbolisieren die Müdigkeit von Erfahrungen und der Suche nach einem Zuhause. Die Zeilen „Und nun endlich nimmst du mich nach Haus“ drücken eine tiefe Hoffnung aus, endlich angenommen und geborgen zu werden. Der Dichter scheint sich nach einem Ort zu sehnen, an dem er sich sicher und verstanden fühlt. Die Erwähnung der „Gestirne“ und des „irdischen Beruhn“ unterstreicht das Bedürfnis nach Stille und dem Vertrauen, das aus der Nähe zu einer geliebten Person erwächst.

Der zweite Teil des Gedichts zeichnet das Bild eines Menschen, der sich von der Welt entfremdet hat. Er ist wie „Wind durch die Gesträuche“ gezogen, der „jedem Haus entdrang wie ein Rauch“. Die Zeilen „wo sich andre freuten in Gebräuche, blieb ich strenge wie ein fremder Brauch“ verdeutlichen, dass der Dichter nicht in der Lage war, an den Freuden und Traditionen der Gemeinschaft teilzuhaben. Der Vers „Meine Hände gingen schreckhaft ein / in der andern schicksalvolle Schließung“ verweist auf die Erfahrung des Nicht-Zugehörigseins und die Schwierigkeit, echte Verbindungen zu knüpfen. Die Sehnsucht nach der Gemeinschaft, nach dem „Ergießen“ der anderen, steht im Kontrast zu dem Gefühl, nur „vergossen“ zu sein, also verloren und allein.

Insgesamt ist das Gedicht eine ergreifende Reflexion über die menschliche Sehnsucht nach Geborgenheit, Liebe und Zugehörigkeit. Rilke verwendet eine eindringliche Sprache, um das Gefühl der Entfremdung, die Erschöpfung und den Schmerz der Einsamkeit zu vermitteln, und drückt gleichzeitig die Hoffnung auf Trost, Verständnis und die ersehnte „Heimat“ aus. Das Gedicht kann als ein Appell an das Mitgefühl und die Empathie des Lesers verstanden werden und lädt dazu ein, die Tiefe der menschlichen Erfahrung und die Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen zu erfassen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.