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Florida of Boston

Von

Das Weltmeer trug dich gern; du schwimmst am Ziel der Reise.
Dies ist des Hafens Thor! – nur noch durch diese Schleuse,
Und deinen Kupferbauch umplätschert das Bassin!
Wie sich auf dem Verdeck die rüst´gen Lootsen drängen!
Zur Arbeit singen sie; – einfach, mit rauhen Klängen
Schallt über´s Wasser der Refrain!

Bugspriet und Masten kahl; die Segel sind mit Schnüren
Zu Bündeln eingerefft; – hier gilt es, zu bugsiren!
Die Ankerwinde knarrt, das Schiff rückt langsam vor.
Rasch mit den Speichen dreht sich Weißer und Mulatte,
Und majestätisch zieht die schwankende Fregatte
Durch das weitoffne Schleusenthor.

Von oben kann ich jetzt auf sie hinunterschauen;
Mit ihrem Takelwerk, mit ihren mächt´gen Tauen
Erreich´ ich sie beinah´ mit ausgestreckter Hand.
Vor mir und unter mir der Schiffer gelbe Hüte;
Neufundlands Dogge heult am Eingang der Kajüte,
Und blickt umher und will an´s Land.

Auf einer Tonne sitzt der Steuermann am Steuer;
Hier liegt das lange Boot, dort flammt das Küchenfeuer;
Der Schiffskoch, Mais im Korb, tritt an den Hühnerstall.
Mit voller Hand läßt er die Frucht durch´s Gitter rauschen;
Die Hennen drängen sich, und picken und belauschen
Der transatlant´schen Körner Fall.

Und trotzig über euch, ihr Meeranachoreten,
Ihr Klausner auf der See, die ihr zwar schlecht zu beten,
Doch gut zu fluchen, und im Sturm zu lästern wißt,
Auf dem Besaanmast hoch seh´ ich der freien Staaten
Rothstreif´ge Flagge wehn, wie sie der Hanseaten,
Holländer, Dänen Flaggen grüßt.

Der weißen Sterne Schein glänzt in der blauen Feldung;
Sie bringt der alten Welt von einer neuen Meldung,
An deren grünem Strand das Schiff vorüberzog.
Sie sah den Strom des Golfs; sie schreckte den Flamingo,
Den scharlachfarbigen, als er von Sanct Domingo
Gen Norden zum Ohio flog.

Dort, und am Erie-See, bei fleiß´gen Colonisten
Und Bibern will er still an dem Gestade nisten,
Bis wieder ihn zurück gen Süden treibt das Eis.
Dort schwebt in Zügen er um dunkler Berge Firnen;
Wie Indier stehn sie da: – um ihre braunen Stirnen
Wallt brennendroth ein Federkreis.

Dort rudern ungestört Canada´s wilde Schwäne
Auf dem Ontario, wo der Huronen Kähne
Am Ufer liegen. – Halt! verstummt ist der Refrain!
Im Schiffe wird es still – jetzt tritt es aus der Schleuse
Hervor – ein Hussaruf! und seine Planken leise
Bespült das schirmende Bassin.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Florida of Boston von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Florida of Boston“ von Ferdinand Freiligrath beschreibt die Ankunft eines Schiffes im Hafen von Boston. Die detaillierte Beobachtung der Szenerie, vom Einlaufen in die Schleuse bis hin zu den verschiedenen Tätigkeiten an Bord und den Assoziationen mit der amerikanischen Landschaft, zeugt von Freiligraths Begeisterung für das Neue und die Ferne.

Die erste Strophe etabliert die Ankunft des Schiffes als zentrales Thema. Die Beschreibung der „Schleuse“ und des „Kupferbauchs“, der im Bassin ankommt, erzeugt ein Gefühl von Spannung und Fortschritt. Die „rüst´gen Lootsen“ auf dem Deck, die bei der Arbeit singen, unterstreichen die Lebendigkeit und den Rhythmus des Hafens. Der Refrain, der „einfach, mit rauhen Klängen“ über das Wasser hallt, vermittelt eine authentische, fast volksliedhafte Atmosphäre.

Die folgenden Strophen vertiefen die Beschreibung. Der Blick des Sprechers wandert von den technischen Details des Schiffes – „Bugspriet und Masten kahl“ – zu den Besatzungsmitgliedern, den verschiedenen Aktivitäten an Bord und der umgebenden Landschaft. Die „weißen Sterne“ auf der amerikanischen Flagge werden zu einem Symbol für die neue Welt, das der alten Welt „von einer neuen Meldung“ bringt. Freiligrath webt geschickt Bilder der amerikanischen Natur ein, indem er den „Golf“, den „Flamingo“ und die „Colonisten“ am Erie-See erwähnt.

Die Strophen sind geprägt von einer Mischung aus detaillierter Beobachtung und poetischer Verklärung. Die Erwähnung von „Meeranachoreten“ und „Klausner auf der See“ kontrastiert die Seefahrer mit ihren groben Umgangsformen mit der Symbolkraft der „Rothstreif´ge Flagge“. Die abschließende Strophe markiert den Eintritt des Schiffes in das Bassin, begleitet von einem „Hussaruf“ und dem sanften Bespülen der Planken durch das Wasser, was den Höhepunkt und die endgültige Ankunft im Hafen widerspiegelt. Freiligraths Gedicht ist so eine lebendige Momentaufnahme einer Seereise, die von Enthusiasmus und Fernweh getragen ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.