Februar
Erkennst du mich in meinem bunten Kleide,
Mit meiner Pritsche, meinem Schellenhut,
Mit meinem unermüdlich krausen Muth,
Voll Scherz und Rank und Witz und Schadenfreude?
Doch zapft man hier, zu meinem großen Leide,
Mir jährlich ab ein Becken wildes Blut:
Humanitas meint es mit mir nicht gut,
Und schwärzt mich an mit unhumanem Neide.
Ich darf nicht mehr frei durch die Straße wandern,
In enge Säle schließen sie mich ein,
Und wollen gar, ich soll vernünftig sein.
Wie thut mir’s weh um dich vor allen Andern!
Ich möchte gern dich römisch lustig sehn,
Und müßt‘ ich selbst dabei zu Grunde gehn.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Februar“ von Wilhelm Müller ist eine melancholische Betrachtung des Monats Februar, der hier personifiziert und mit widersprüchlichen Eigenschaften dargestellt wird. Das Gedicht nutzt die Figur des Karnevals, um die Vergänglichkeit, die Freiheit und die Einschränkungen, die mit dem Übergang zur Ordnung einhergehen, zu thematisieren. Der Februar erscheint als eine Figur, die Freude, Spott und Unbeschwertheit verkörpert, aber gleichzeitig auch unter Restriktionen und dem Verlust ihrer Freiheit leidet.
Im ersten Teil des Gedichts (erste Strophe) stellt sich der Februar als eine fröhliche, bunt gekleidete Figur vor, die mit „Pritsche, Schellenhut“ und unermüdlichem „Muth“ durch die Welt zieht. Die Elemente „Scherz“, „Rank“ und „Schadenfreude“ weisen auf die freie und ausgelassene Natur des Karnevals hin, der typischerweise im Februar gefeiert wird. Diese fröhliche Selbstdarstellung wird jedoch durch die zweite Strophe konterkariert. Hier wird der Februar in seinen negativen Aspekten geschildert: Er wird „angezapft“, verliert „wildes Blut“ und erfährt Ungerechtigkeit durch „Humanitas“, die ihn mit „unhumanem Neide“ verunglimpft. Der Februar wird also durch äußere Kräfte eingeschränkt und in seiner Freiheit beschnitten.
Die dritte Strophe verstärkt das Gefühl der Unterdrückung und der Sehnsucht nach Freiheit. Der Februar darf „nicht mehr frei durch die Straße wandern“ und wird in „enge Säle“ gesperrt. Diese Einschränkungen repräsentieren die Auflösung des Karnevals, der seine Grenzen verlassen und in die staatliche Ordnung überführt wird. Die Forderung, vernünftig zu sein, widerspricht der Natur des Karnevals, der durch Ausgelassenheit, Unvernunft und das Überschreiten von Grenzen gekennzeichnet ist.
Die letzte Strophe ist eine direkte Anrede an eine ungenannte „dich“, wahrscheinlich eine Geliebte oder eine nahestehende Person. Der Februar drückt sein Mitleid und seine Sehnsucht nach Freude aus. Er wünscht sich, die angesprochene Person „römisch lustig“ zu sehen, was auf die freie, unbeschwerte Lebensweise anspielt. Die Bereitschaft, für das Glück des anderen selbst zugrunde zu gehen, verdeutlicht die Tiefe der Emotionen und die Tragik des lyrischen Ichs, das sich nach Freiheit und Lebensfreude sehnt, aber durch äußere Umstände daran gehindert wird. Das Gedicht ist somit eine Reflexion über Verlust, Freiheit und die Einschränkungen, denen das Individuum in einer regulierten Welt unterworfen ist.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.