Erfolganbeter
Nie hab′ ich ein dummeres Stück gelesen.
»Das Haus ist ausverkauft gewesen.«
Farbe, Linien, alles verschwommen.
»Die Jury hat es angenommen.«
Ein Skandal ist seine Art zu leben.
»Der Botschafter hat ihm ein Fest gegeben.«
Glauben Sie mir: er ist ein Kujon.
»Hat aber eine Taler-Million.«
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Erfolganbeter“ von Theodor Fontane ist eine bissige Satire auf die Werte einer Gesellschaft, in der Erfolg und Reichtum über Qualität und Moral triumphieren. Es prangert die Oberflächlichkeit und den Opportunismus an, die entstehen, wenn materielle Dinge und gesellschaftlicher Erfolg zu den wichtigsten Kriterien für die Beurteilung einer Person werden. Das Gedicht bedient sich einer ironischen Struktur, um die Absurdität dieser Denkweise aufzuzeigen.
Fontane verwendet eine einfache, fast prosaische Sprache, die jedoch eine enorme Wirkung entfaltet. Die vier Strophen bestehen jeweils aus zwei Zeilen: in der ersten Zeile wird eine negative Aussage über das Werk oder das Verhalten des Protagonisten getroffen, in der zweiten Zeile erfolgt eine scheinbar entgegengesetzte Aussage, die den Erfolg oder die gesellschaftliche Anerkennung des Protagonisten unterstreicht. Der Kontrast zwischen dem „dummen Stück“ und dem „ausverkauften Haus“, den „verschwommenen“ Elementen und der „Annahme durch die Jury“ oder dem „Skandal“ und dem Fest des Botschafters verdeutlicht die Diskrepanz zwischen dem, was objektiv wahrgenommen werden kann, und dem, was gesellschaftlich akzeptiert und gefeiert wird.
Die letzte Strophe kulminiert in der Pointe des Gedichts: „Glauben Sie mir: er ist ein Kujon. / Hat aber eine Taler-Million.“ Hier wird die tiefste Verachtung für den Charakter des Protagonisten zum Ausdruck gebracht, gleichzeitig aber die Erklärung für seinen Erfolg geliefert. Die „Taler-Million“ ist der Schlüssel, der ihm den Zugang zu Anerkennung und Erfolg ermöglicht. Das Gedicht macht deutlich, dass Reichtum und Einfluss in dieser Gesellschaft wichtiger sind als Charakterstärke oder Qualität. Fontane kritisiert somit die korrumpierende Kraft des Geldes und die Verlogenheit einer Gesellschaft, die Werte wie Talent, Anstand und Ehrlichkeit zugunsten von finanzieller Macht und sozialer Stellung opfert.
Die Struktur des Gedichts, die durch die Verwendung von direkter Rede als Zitat gekennzeichnet ist, verstärkt die Wirkung der Satire. Der Leser wird in die Position eines Zuhörers versetzt, der die Aussagen über den Protagonisten aus verschiedenen Perspektiven erfährt. Die Ironie entsteht durch die Diskrepanz zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was impliziert wird. Die scheinbar nebensächlichen Bemerkungen der angeblichen Erfolge des Protagonisten, entlarven dessen Ansehen und spiegeln die Ignoranz und Scheinheiligkeit der Gesellschaft, die ihn feiert. Fontanes „Erfolganbeter“ ist somit ein zeitloses Werk, das die Mechanismen der modernen Gesellschaft, in der Geld und Macht oft über moralische Werte gestellt werden, aufdeckt und kritisiert.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.