Elbstrand
Der Strand glänzt prall besonnt und badehell.
Es wimmelt um die Zelte wie von Maden.
Die aufgesteckte Wäsche blendet grell.
Und Mondschein kommt von Leibern, welche baden.
Vom Meere weht ein Wind mit Salz und Teer
und kitzelt derb die Stadt-verweichten Lungen.
Da springt ein Lachen auf dem Strand umher,
und unvermutet redet man mit Zungen.
Ein großer Dampfer kommt vom Ozean.
Stark ruft sein Baß. Die Luft wird plötzlich trüber.
Man drängt ans Wasser kindlich nah heran.
Ein Atem braust. – Die Woermann schwimmt vorüber.
Die Zeltstadt glänzt bevölkert wieder bald.
Wir wandern langsam durch die hellen Reihen
und hören hier: Es kam ein Palmenwald,
ein ganzes Land mit Düften, Negern, Affen, Papageien.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Elbstrand“ von Ernst Wilhelm Lotz zeichnet ein lebendiges Bild des Lebens an einem sonnigen Elbstrand. Der Dichter nutzt eine Kombination aus sinnlichen Eindrücken, um die Atmosphäre einzufangen: Der „glänzende“ Strand, das „badehelle“ Wasser, die „aufgesteckte Wäsche“, das „salzige“ Meereslüfte, das springende Lachen, und der „große Dampfer“, die Woermann, lassen den Leser in die Szenerie eintauchen. Der Fokus liegt auf der Beobachtung des Treibens am Strand, der Begegnung mit dem Meer und der Ankunft eines großen Schiffes.
In der ersten Strophe dominieren visuelle Eindrücke und das lebhafte Treiben am Strand. Die Metapher des „Wimmelns“ um die Zelte, verglichen mit Maden, deutet auf eine gewisse Fülle und vielleicht auch eine ungestüme Lebendigkeit hin. Das „blenden[de] grell“ der Wäsche verstärkt den Eindruck von Helligkeit und Wärme, während das „Baden“ im Mondschein eine fast surreale Atmosphäre kreiert. Die zweite Strophe fügt olfaktorische und auditive Elemente hinzu, der Wind bringt Salz und Teer, eine Mischung aus Natürlichkeit und menschlicher Aktivität, die „die Stadt-verweichten Lungen“ kitzelt. Das „Lachen“, das auf dem Strand „umherspringt“, signalisiert Lebensfreude und Unbeschwertheit, während die „Zungen“ eine geheimnisvolle, vielleicht sogar exotische Note hinzufügen.
Die dritte Strophe markiert einen Übergang. Die Ankunft des „großen Dampfers“ mit seinem „Baß“ verändert die Atmosphäre, die Luft wird „plötzlich trüber“. Dies könnte ein Vorzeichen für eine Veränderung sein, vielleicht auch für eine melancholische Note. Die Menschen drängen ans Wasser, um das Schiff zu sehen, ein Ausdruck von Neugier und gemeinsamer Erfahrung. Der „Atem [der] braust“ und das Vorüberfahren der „Woermann“ unterstreichen die Größe und Bedeutung des Ereignisses. Die letzte Strophe kehrt zum Strand zurück, wo das Leben nach dem Schiff weiterhin pulsiert. Die Zeltstadt ist erneut bevölkert, und die Begegnung mit dem Schiff weckt Sehnsüchte und Phantasien.
Das Gedicht thematisiert also die Vergänglichkeit des Moments und die ständige Veränderung, die vom Meer und der Ankunft des Schiffes angeregt wird. Die letzte Strophe verweist auf die Sehnsüchte nach fernen Ländern, die in den Reisenden geweckt werden. Lotz‘ Gedicht fängt eine Momentaufnahme der Lebendigkeit am Strand ein, vermischt mit einer subtilen Reflexion über Fernweh und das flüchtige Glück des Augenblicks.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.