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Eine Frühlingsnacht

Von

Im Zimmer drinnen ist′s so schwül;
Der Kranke liegt auf dem heißen Pfühl.

Im Fieber hat er die Nacht verbracht;
Sein Herz ist müde, sein Auge verwacht.

Er lauscht auf der Stunden rinnenden Sand;
Er hält die Uhr in der weißen Hand.

Er zählt die Schläge, die sie pickt,
Er forschet, wie der Weiser rückt;

Es fragt ihn, ob er noch leb′ vielleicht,
Wenn der Weiser die schwarze Drei erreicht.

Die Wartfrau sitzt geduldig dabei,
Harrend, bis alles vorüber sei. –

Schon auf dem Herzen drückt ihn der Tod;
Und draußen dämmert das Morgenrot.

An die Fenster klettert der Frühlingstag.
Mädchen und Vögel werden wach.

Die Erde lacht in Liebesschein,
Pfingstglocken läuten das Brautfest ein;

Singende Bursche ziehn übers Feld
Hinein in die blühende, klingende Welt. –

Und immer stiller wird es drin;
Die Alte tritt zum Kranken hin.

Der hat die Hände gefaltet dicht;
Sie zieht ihm das Laken übers Gesicht.

Dann geht sie fort. Stumm wird′s und leer;
Und drinnen wacht kein Auge mehr.

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Gedicht: Eine Frühlingsnacht von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Eine Frühlingsnacht“ von Theodor Storm zeichnet das erschütternde Bild des Sterbens eines Kranken in einer Nacht des Frühlings. Der Kontrast zwischen dem sich entfaltenden Leben draußen und dem nahenden Tod drinnen bildet das zentrale Thema und erzeugt eine tiefgreifende emotionale Wirkung.

Die ersten Strophen beschreiben die Atmosphäre des Kranken im Zimmer: die Schwüle, das Fieber, die Müdigkeit und das verzweifelte Verlangen nach Zeit. Der Kranke zählt die Schläge der Uhr, als ob er versuche, sich am Lauf der Zeit festzuklammern, während sein Leben langsam dahinschwindet. Die Erwartung der drei Uhr, des Todeszeitpunkts, unterstreicht die Gewissheit des nahenden Endes. Die wartende Frau, ein stiller Zeuge, symbolisiert die Hilflosigkeit und das Miterleben des Todes.

Der Kontrast zum äußeren Geschehen wird in den folgenden Strophen verstärkt. Draußen bricht der Frühling an, mit Mädchen, Vögeln, Liebesschein und Hochzeitsglocken. Die lebendige Welt des Frühlings steht im krassen Gegensatz zur Stille des Sterbezimmers. Der fröhliche Gesang der Burschen und das Brautfest draußen bilden einen schmerzhaften Kontrast zur Leere und Stille im Zimmer des Sterbenden.

Das Gedicht kulminiert in den letzten Strophen in der endgültigen Erfahrung des Todes. Die alte Frau legt die gefalteten Hände des Kranken zusammen und deckt sein Gesicht zu. Der Raum wird still und leer, und mit dem Tod endet das Leben des Kranken. Die abschließenden Verse bekräftigen die Ungleichzeitigkeit von Leben und Tod, von Freude und Trauer. Das Gedicht ist eine ergreifende Meditation über die Vergänglichkeit des Lebens und die unvermeidliche Trennung vom lebendigen Frühling.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.