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Ein Bild

Von

Im Morgenwinde sah ich Blumen wanken
Und sah, wie sie den Tau der goldnen Frühe,
Daß jede voller dufte, tiefer glühe,
Mit heißem Mund begierig in sich tranken.

Gesättigt sah ich bald die meisten schwanken,
Als glaubten sie, daß keine nun verblühe,
Die Rosen tranken fort mit süßer Mühe,
Bis ihre Kelche fast zur Erde sanken.

Die andern wiegten sich in Lustgefühlen,
Sie wollten eben lauten Spott erheben,
Da schoß die Sonne ihre Flammen-Pfeile.

Die Rosen löschten sie im Tau, dem kühlen,
Doch jenen drangen sie in Mark und Leben,
Man sah sie hingewelkt nach kurzer Weile.

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Gedicht: Ein Bild von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ein Bild“ von Friedrich Hebbel präsentiert eine allegorische Betrachtung über Vergänglichkeit, Genuss und die fatalen Konsequenzen ungezügelter Leidenschaft. Der Autor nutzt das Bild der Blumen im Morgentau, um menschliche Verhaltensmuster zu spiegeln und eine tiefergehende Botschaft über die Natur des Lebens und die Beziehung zwischen Glück und Schmerz zu vermitteln.

In den ersten beiden Strophen wird die Szene aufgebaut. Die Blumen, die den Tau „mit heißem Mund begierig in sich tranken“, stehen für die Hingabe an das sinnliche Vergnügen und die Gier nach dem Schönen. Der Fokus liegt auf dem Genuss, der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und dem Glauben an die Unsterblichkeit – „Als glaubten sie, daß keine nun verblühe.“ Die Rosen, als Inbegriff von Schönheit und Anmut, „tranken fort mit süßer Mühe“, was die Intensität des Erlebens und die Hingabe an die Freuden des Lebens unterstreicht.

Die dritte Strophe markiert den Wendepunkt. Die Sonne, mit ihren „Flammen-Pfeilen“, symbolisiert das Schicksal, die unaufhaltsame Kraft, die über Gut und Böse hinweggeht. Die Blumen, die sich in „Lustgefühlen“ wiegen und „eben lauten Spott erheben“ wollen, scheinen der Vernichtung ins Auge zu sehen. Hier wird die Überheblichkeit derer, die sich in ihrem Glück wiegen und die Gefahren ignorieren, thematisiert.

Der letzte Vers führt die Auflösung des Konflikts herbei und die Moral der Geschichte wird deutlich. Die Rosen, die den Tau als kühlen Schutz hatten, löschen die Sonne, während „jenen drangen sie in Mark und Leben, / Man sah sie hingewelkt nach kurzer Weile“. Diejenigen, die sich der Sonne offenbaren, die sich der Leidenschaft ohne Einschränkung hingeben, sterben schnell. Hebbel verdeutlicht die Wahrheit, dass die ungestüme Hingabe an die Freuden des Lebens, der Exzess, zur Zerstörung führt. Die scheinbare Ewigkeit des Glücks ist trügerisch und die Vergänglichkeit des Lebens unaufhaltsam. Das Gedicht ist somit eine Mahnung zur Mäßigung und zur Erkenntnis der Grenzen des Genusses.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.