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Drei Blicke in einen Opal

Von

Blick in Opal: ein Dorf umkränzt von dürrem Wein,
Der Stille grauer Wolken, gelber Felsenhügel
Und abendlicher Quellen Kühle: Zwillingsspiegel
Umrahmt von Schatten und von schleimigem Gestein.

Des Herbstes Weg und Kreuze gehn in Abend ein,
Singende Pilger und die blutbefleckten Linnen.
Des Einsamen Gestalt kehrt also sich nach innen
Und geht, ein bleicher Engel, durch den leeren Hain.

Aus Schwarzem bläst der Föhn. Mit Satyrn im Verein
Sind schlanke Weiblein; Mönche der Wollust bleiche Priester,
Ihr Wahnsinn schmückt mit Lilien sich schön und düster
Und hebt die Hände auf zu Gottes goldenem Schrein.

Der ihn befeuchtet, rosig hängt ein Tropfen Tau
Im Rosmarin: hinfließt ein Hauch von Grabgerüchen,
Spitälern, wirr erfüllt von Fieberschrein und Flüchen.
Gebein steigt aus dem Erbbegräbnis morsch und grau.

In blauem Schleim und Schleiern tanzt des Greisen Frau,
Das schmutzstarrende Haar erfüllt von schwarzen Tränen,
Die Knaben träumen wirr in dürren Weidensträhnen
Und ihre Stirnen sind von Aussatz kahl und rauh.

Durchs Bogenfenster sinkt ein Abend lind und lau.
Ein Heiliger tritt aus seinen schwarzen Wundenmalen.
Die Purpurschnecken kriechen aus zerbrochenen Schalen
Und speien Blut in Dorngewinde starr und grau.

Die Blinden streuen in eiternde Wunden Weiherauch.
Rotgoldene Gewänder; Fackeln; Psalmensingen;
Und Mädchen, die wie Gift den Leib des Herrn umschlingen.
Gestalten schreiten wächsernstarr durch Glut und Rauch.

Aussätziger mitternächtigen Tanz führt an ein Gauch
Dürrknöchern. Garten wunderlicher Abenteuer;
Verzerrtes; Blumenfratzen, Lachen; Ungeheuer
Und rollendes Gestirn im schwarzen Dornenstrauch.

O Armut, Bettelsuppe, Brot und süßer Lauch;
Des Lebens Träumerei in Hütten vor den Wäldern.
Grau härtet sich der Himmel über gelben Feldern
Und eine Abendglocke singt nach altem Brauch.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Drei Blicke in einen Opal von Georg Trakl

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Drei Blicke in einen Opal“ von Georg Trakl ist eine düstere und vielschichtige Beschreibung einer Welt, die von Verfall, Krankheit, Tod und religiöser Verzweiflung geprägt ist. Es zeichnet ein Bild von einer tiefgreifenden Dekadenz, in der die Schönheit der Natur und die Hoffnung auf Erlösung durch eine allgegenwärtige Atmosphäre des Verfalls und des Wahnsinns verzerrt werden. Der Titel deutet bereits auf eine fragmentarische Betrachtungsweise hin, da die drei Blicke verschiedene Aspekte dieser Welt beleuchten.

Die ersten Strophen etablieren eine Landschaft, die von Herbstlichkeit und Verlassenheit geprägt ist. Das „Dorf umkränzt von dürrem Wein“ und die „grauen Wolken“ schaffen eine bedrückende Atmosphäre. Bilder von „blutbefleckten Linnen“ und „schleimigem Gestein“ deuten auf Gewalt und Zerfall hin. Der „bleiche Engel“ und die „singenden Pilger“ weisen auf eine religiöse Komponente hin, die jedoch von Leid und Obskurität überschattet wird. Das Gedicht verbindet natürliche Elemente mit symbolischen Bildern, um die Stimmung der Verzweiflung zu verstärken.

Die folgenden Strophen intensivieren die düstere Atmosphäre. Der „bläsernde Föhn“ und „Satyrn im Verein“ deuten auf eine Auflösung der Moralvorstellungen hin. Die „Mönche der Wollust“ und die „Lilien“ des Wahnsinns symbolisieren eine verdorbene Religion, in der Lust und Wahnsinn Hand in Hand gehen. Der Hinweis auf „Grabgerüche“, „Spitälern“ und „Fieberschrein“ verstärkt das Bild von Krankheit und Tod. Trakl nutzt hier eine Vielzahl von Bildern, um die Zerstörung und das Elend in dieser Welt darzustellen.

In den letzten Strophen erreicht die Darstellung ihren Höhepunkt. Bilder von „Greisen Frau“, „Aussatz“, „Purpurschnecken“, „Blut“ und „Ungeheuern“ dominieren. Der Tanz des „Gauchs“ und der „wunderliche Abenteuer“ deuten auf eine allgemeine Auflösung hin, in der die Grenzen zwischen Realität und Wahnsinn verschwimmen. Trotz der düsteren Bilder schwingt im Schlussvers mit der „Abendglocke“ und dem „Brot und süßen Lauch“ auch ein Hauch von Hoffnung und Erinnerung an Einfachheit mit, der aber in der Gesamtdarstellung kaum Gewicht hat.

Insgesamt ist „Drei Blicke in einen Opal“ ein komplexes und beklemmendes Gedicht, das die dunklen Aspekte des menschlichen Daseins erforscht. Trakls Verwendung von Symbolen, Bildern und einer düsteren Sprache schafft eine eindringliche Atmosphäre, die den Leser mit den Themen Verfall, Krankheit, Tod und Verzweiflung konfrontiert. Das Gedicht ist ein Spiegelbild einer Welt, in der die Hoffnung verloren gegangen ist und die Schönheit des Lebens von der Allgegenwart des Todes und des Verfalls erstickt wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.