Die Seestädte
Vor allen Städten seid ihr Meeresbräute
Die herrlichsten; der Tiefe Schätze quellen
Zu euch empor, des Glückes Segel schwellen
An euren Strand der fernsten Länder Beute.
Da, Tyrus, Indien dir Weihrauch streute,
Und da, Korinth, zu deinen Marmorschwellen
Der Römer kam, da auf den hohen Wellen
Dein Leu, Venedig, allen Flaggen dräute;
Da war′s, da zog der Ruhm durch Siegestore,
Da schien die Mittagsglut von goldnen Dächern
Auf Heldenbilder längs der Korridore.
Müd lächelnd sahn die Herren der besiegten
Meerwelle zu, indes in Prunkgemächern
Den Perlenfächer ihre Töchter wiegten.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Seestädte“ von Hermann Lingg zelebriert die glorreiche Vergangenheit bedeutender Seestädte, indem es ihre Geschichte und ihren Reichtum in den Vordergrund rückt. Das Sonett beginnt mit einer direkten Anrede an die Städte, die als „Meeresbräute“ bezeichnet werden, was bereits eine erhabene und verehrende Tonart anschlägt. Diese Metapher betont die Schönheit und den Reiz der Städte, die durch ihren Zugang zum Meer und ihre Rolle im Handel und in der Machtausübung definiert werden.
Im zweiten Teil des Gedichts werden spezifische Beispiele für diese Städte und ihre geschichtlichen Leistungen genannt. Tyrus, Korinth und Venedig werden als herausragende Beispiele für Reichtum, Macht und Ruhm präsentiert. Lingg beschreibt, wie diese Städte im Laufe der Geschichte Einfluss ausgeübt und Reichtum angehäuft haben, sei es durch den Handel mit Weihrauch (Tyrus), die Ankunft der Römer (Korinth) oder die Vorherrschaft auf den Meeren (Venedig). Die bildhafte Sprache, wie „des Glückes Segel schwellen“ und „allen Flaggen dräute“, verstärkt das Gefühl von Macht und Überlegenheit.
Die dritte Strophe vertieft das Bild des Glanzes und der Errungenschaften dieser Seestädte. Der „Ruhm“ zieht durch die „Siegestore“, während die „Mittagsglut von goldnen Dächern“ auf die „Heldenbilder längs der Korridore“ scheint. Dies vermittelt ein Gefühl von Triumph, Größe und kultureller Blüte. Die Verwendung von Wörtern wie „Ruhm“ und „Siegestore“ unterstreicht die militärische und politische Macht, die diese Städte ausübten.
Die letzte Strophe bietet einen kontrastierenden, aber ebenso eindrucksvollen Abschluss. Die „Herren der besiegten Meerwelle“ blicken müd lächelnd auf die Szenerie, während ihre Töchter in „Prunkgemächern“ die „Perlenfächer wiegen“. Dieses Bild deutet auf den Reichtum und die Dekadenz der herrschenden Klassen hin, während sie sich im Überfluss sonnen. Das Gedicht endet mit einem Gefühl von sowohl Ehrfurcht vor den historischen Leistungen als auch einem Hauch von Melancholie über den Vergänglichkeit des Ruhms und der Macht. Linggs Gedicht feiert somit die Pracht und den Reichtum der Seestädte, während es gleichzeitig die flüchtige Natur dieser Errungenschaften anerkennt.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.