Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , ,

Die Leiche zu Sankt Just

Von

Aus Sankt Justi Klosterhallen
Tönt ein träges Todtenlied,
Glocken summen von den Thürmen
Für den Mönch, der heut verschied.

Seht den Todten! Wie von welkem Blute
Schlingt ein rother Reif sich um sein Haupt;
Ob einst drauf zur Buß’ ein Dornkranz ruhte?
Nein, die Krone lag auf diesem Haupt!

Die Kapuze zieht ein Mönch ihm
Tief jetzt übers Auge zu,
Daß die böse Spur der Krone
Drin verhüllt, verborgen ruh’.

Einst das Zepter hielt sein Arm erhoben;
Rüttelte gleich dran die halbe Welt,
Er hielt fest und höher es nach oben,
Wie ein Fels, der eine Tanne hält.

Diese Arme beugt dem Todten
Jetzt ein Frater zu Sankt Just,
Drückt ein Kreuz darein, und beugt sie,
Ach so leicht! verschränkt zur Brust.

Wie des Regenbogens Himmelsstiege
Glomm der Tag, der ihm das Licht beschied,
Kön’ge schaukelten da seine Wiege,
Königinnen sangen ihm das Lied.

Doch ein Mönchchor singt das Grablied
Jetzt in alter Melodei,
Wie er singt, ob Grabeslegung
Oder Auferstehung sei.

Seht, die Sonne sinkt, die aus den Reichen
Dieses Todten nie den Ausgang fand;
Dieses Abendroth im Gau der Eichen
Ist ein Morgenroth dem Palmenland.

Und die Glocken leiser klingen:
Schöne Thäler, lebet wohl!
Und die Mönche heiser singen:
Schnöde Welt, o fahre wohl!

Einmal noch durchs Kirchenfenster nieder
Blickt zum Sarg der Sonne mildes Roth,
Was sie hier sieht, dort zu künden wieder:
Wie der Herrscher beider Welten todt!

Hirt und Hirtin doch im Thale,
Wie da Glocke klingt und Lied,
Beten still, entblößten Hauptes,
Für den frommen Mönch, der schied.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Leiche zu Sankt Just von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Leiche zu Sankt Just“ von Anastasius Grün entwirft ein beklemmendes Bild des Todes eines einst mächtigen Mannes, der nun als Mönch in einem Kloster beigesetzt wird. Die Erhabenheit und der Glanz seines früheren Lebens, als Herrscher, werden in starken Kontrast zu der Stille und Demut des Klosterlebens und des Todes gesetzt. Die Verwendung von Bildern wie „rother Reif“ und „Krone“ anstelle des „Dornkranzes“ deutet auf eine Vergangenheit hin, die von weltlicher Macht und möglicherweise auch von weltlichen Sünden geprägt war. Das Gedicht betont die Vergänglichkeit des irdischen Ruhms und die scheinbare Bedeutungslosigkeit weltlicher Macht angesichts des Todes.

Die Struktur des Gedichts ist durch einen klaren Wechsel zwischen den beschreibenden Strophen, die das Begräbnis und die Trauerfeierlichkeiten schildern, und den introspektiven Strophen, die das frühere Leben des Verstorbenen beleuchten, geprägt. Die Glocken, das Todtenlied, die Mönche und die Kapuze erzeugen eine Atmosphäre der Trauer und des Abschieds. Der Wechsel von Bildern der Macht, wie dem Zepter und der Krone, zu Bildern der Demut, wie dem Kreuz und der verschränkten Arme, verdeutlicht den Kontrast zwischen dem irdischen Leben und dem Eintritt in den Tod. Die Metapher der „Himmelsstiege“ des Regenbogens, der das Leben des Mannes erleuchtete, unterstreicht die Schönheit und den Glanz, die seinem Leben einst innewohnten.

Ein wichtiger Aspekt des Gedichts ist die Betrachtung der Vergänglichkeit des Lebens und des Übertritts in eine andere Welt. Das Abendrot, das am Ende des Gedichts auftaucht, symbolisiert den Übergang des Verstorbenen von dieser Welt in eine andere. Die Zeile „Wie der Herrscher beider Welten todt!“ unterstreicht die These, dass der Tod alle gleich macht, unabhängig von ihrem sozialen Stand oder ihrer Macht. Die letzte Strophe mit dem stillen Gebet der Hirten und Hirtinnen im Tal vermittelt Trost und die Hoffnung auf eine Auferstehung, nachdem die weltliche Macht des Verstorbenen vergangen ist.

Grüns Sprache ist bildhaft und von einer gewissen Melancholie geprägt. Die Verwendung von Adjektiven wie „träge“, „böser“ und „schnöde“ trägt zur düsteren Stimmung bei. Die Wiederholung von Schlüsselbegriffen wie „Tod“ und „Grab“ verstärkt die zentrale Thematik des Gedichts. Die Reimschemata und der Rhythmus erzeugen einen gleichmäßigen, fast schon klagenden Klang, der die tiefe Trauer und das Nachdenken über das Leben und den Tod widerspiegelt. Durch die Darstellung des Begräbnisses und die Reflektion über das Leben des Verstorbenen, regt das Gedicht den Leser zum Nachdenken über die eigene Sterblichkeit und die Bedeutung des Lebens an.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.