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Die Kaisergruft in Speyer

Von

Wie öde trauert diese heil′ge Welt
Im zweifelhaften Schein der Tageshelle,
Die dämmernd durch die Bogenfenster fällt
Und zitternd schleicht um Altar und Kapelle.

Bisweilen nur, unheimlich wie im Traum,
Scheint sich der Tempel wundersam zu regen,
Ein innres Atmen den geweihten Raum
Mit geisterhaftem Leben zu bewegen.

Dann hört man durch die Stille dumpf und schwer
Verloren einzle Glockenklänge hallen,
Wie vor dem Sturme auf ein schweigend Meer
Die Tropfen der Gewitterwolke fallen.

Ein bleiches Weib, ein Geist vom Ehedem,
Wallt durch den Dom; gelöst sind ihre Haare,
Halb von der Stirne sank das Diadem,
Ein Trauerkleid umfließt die Wunderbare.

Gebrochnen Schrittes wankt sie hin; sie blickt
Die Kaisersärge an mit stummem Harme
Und hebt mit Klagerufen, halb erstickt,
Um Rache flehend himmelwärts die Arme.

Da aus der Orgel bricht ein mächt′ger Schall,
Ein Sterbeseufzer, ihrer Brust entquollen,
Der bei der Säulengänge Wiederhall
Durch das Gewölbe schleicht mit dumpfem Rollen.

Und von dem Riesenklang erbebt das Licht
Der Lampen, die auf den Altären schimmern,
Daß geisterhaft, wohin es zitternd bricht,
Die Kreuze und die Leichensteine flimmern.

In dichtern Tropfen aus den Pfeifen träuft′s,
Und durch die Hallen schweben dunkle Schatten,
Und zwischendrein vernimmt man das Geseufz
Der Toten unter ihren Marmorplatten.

Bald wieder alles stille wie zuvor!
Rings Nacht und Schweigen in den öden Mauern;
Nur Kreuze, eingehüllt in schwarzen Flor,
Und Heil′ge, die in ihren Nischen trauern.

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Gedicht: Die Kaisergruft in Speyer von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Kaisergruft in Speyer“ von Adolf Friedrich Graf von Schack beschreibt in eindringlichen Bildern die Atmosphäre der Trauer und des Verfalls in der Kaisergruft des Speyerer Doms. Die ersten drei Strophen etablieren die düstere, fast unheimliche Stimmung des Raumes. Das zwifelhafte Licht, das durch die Fenster fällt, der „dämmernde“ Schein und das „innre Atmen“ des Tempels erzeugen eine Atmosphäre der Geheimnisumwitterung und des Verborgenen. Das dumpfe Hallen der Glockenklänge, die wie die ersten Tropfen eines Gewitters klingen, verstärken das Gefühl der Bevorstehenden Katastrophe und des drohenden Unheils.

Ab der vierten Strophe erscheint eine weibliche Gestalt, ein „bleiches Weib“, das als Geist aus der Vergangenheit identifiziert wird. Ihr Zustand – gelöste Haare, ein halb vom Kopf gerutschtes Diadem und ein Trauerkleid – verdeutlicht ihre tiefe Trauer und ihren Schmerz. Sie wandelt durch den Dom, betrachtet die Kaisersärge und fleht in einem „Klagerufen“ um Rache. Diese Szene wird von einem „mächt’gen Schall“ der Orgel begleitet, der als Sterbeseufzer interpretiert werden kann, der die Intensität der Emotionen verstärkt.

Die folgenden Strophen beschreiben die Auswirkungen des Orgelklangs und der aufsteigenden Trauer auf die Umgebung. Das Licht der Lampen erbebt, die Kreuze und Leichensteine flimmern, und dunkle Schatten schweben durch die Hallen. Dies verdeutlicht die Ausbreitung der Trauer und des Leids im gesamten Raum. Der Kontrast zwischen der Leblosigkeit der Marmorplatten und dem „Geseufz der Toten“ suggeriert, dass der Schmerz der Verstorbenen in dieser Umgebung noch spürbar ist.

Das Gedicht endet mit der Rückkehr zur Stille, die durch die Beschreibung der „Nacht“ und des „Schweigens“ betont wird. Lediglich die Kreuze, eingehüllt in schwarzen Flor, und die Heiligen in ihren Nischen zeugen noch von der Trauer. Das Gedicht hinterlässt den Leser mit einem Gefühl der Melancholie, des Verlustes und des ewigen Andenkens an die Vergangenheit, die in den Mauern der Kaisergruft widerhallt. Die Verwendung von Bildern wie „dunkle Schatten“, „dumpfes Rollen“ und „Geseufz der Toten“ tragen dazu bei, eine beklemmende und gleichzeitig faszinierende Atmosphäre zu erzeugen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.