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Die erste Schwalbe

Von

Nun der Himmel wieder lichter
Und die letzte Flocke schwand,
Kehrst du, wie dem Griechendichter,
Kehrst du mir vom Morgenland?
Unter Palmen und Eypressen,
Schöne Sängerfreundin, ward
Nicht der Freund von dir vergessen,
Der im Norden dein geharrt?

Grüßend unsre Nacht, die kalte,
Hat dich jener Strand geschickt,
Wo noch ungetrübt das alte
Flammenauge niederblickt,
Und du singst uns von den Küsten,
Die das heil′ge Meer umschmiegt,
Das an seinen Mutterbrüsten
Unsern ersten Schlaf gewiegt;

Von dem Land, das, eh die Blindheit
Unsern Geist mit Nacht umgraut,
Mit dem Seherblick der Kindheit
Wir in Träumen oft geschaut;
Wo wir, wenn die frische Quelle
Uns zu ihren Borden lud,
In des Erdenmorgens Helle
Mit den Hirten oft geruht.

Sing denn mit dem Ruf des Werde
Das erstorbne Leben wach;
Durch das große Herz der Erde
Laß es pulsen hundertfach,
Daß in Frühlingswonne klopfend
Es die Winterbande sprengt,
Und der erste Tau sich tropfend
An die erste Blüte hängt!

Ach! in seinen Schmerz versponnen
Schlief mein Herz den Winterschlaf,
Wo kein warmer Blick der Sonnen
Den verpuppten Träumer traf;
Alle meine muntern Geister,
Die sonst Lebenslust gesprüht,
Neigten starrend in beeister
Nacht die Häupter schlummermüd.

Doch bei deiner Stimme ersten
Klängen klopfte hoch mein Herz;
Wie aus Gräbern, wenn sie bersten,
Die Erstandnen himmelwärts,
Schwangen aus der Seele Tiefen
Wünsche, tief verhüllt vom Tod,
Hoffnungen, die lange schliefen,
Jubelnd sich ins Morgenrot.

Aus des Kummers Grabgespinste,
Ein befreiter Falter, brach
Meine Liebeslust und blinzte
In den goldnen Frühlingstag;
Um sie flatterten und summten
Freuden aus der Gruft empor,
Wirbelte der lang verstummten
Lieder muntrer Lerchenchor.

Sei denn, da der alte Härmer,
Da der Gram des Winters wich,
Sei der erste Sang der Schwärmer
Dir geweiht – wie nenn′ ich dich?
Rettungsbotin dem Gefangnen,
Oder gottgesandter Geist,
Der vom Grabe des Vergangnen
Auf die bess′re Zukunft weist!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die erste Schwalbe von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die erste Schwalbe“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine lyrische Ode an den Frühling, die von der sehnsuchtsvollen Erwartung und dem ergreifenden Erwachen des Lebens aus dem Winterschlaf handelt. Die Schwalbe, als Bote aus dem warmen Süden, dient als Metapher für die Ankunft des Frühlings und das Wiedererwachen der Natur und der menschlichen Seele. Das Gedicht ist in acht Strophen gegliedert, die jeweils acht Verse umfassen und einen klaren Reimschema (ABAB CDCD) aufweisen, was dem Gedicht eine melodische und fließende Struktur verleiht.

Die ersten drei Strophen beschreiben die Ankunft der Schwalbe und die Sehnsucht nach dem Frühling. Der Dichter fragt die Schwalbe, ob sie aus dem Morgenland zurückgekehrt ist, und erinnert sich an die Schönheit des Südens, wo die Schwalbe ihren Ursprung hat. Die Schwalbe wird als „Sängerfreundin“ bezeichnet, was die Verbindung zwischen der Natur und der Kunst, zwischen dem Gesang der Vögel und der Poesie, unterstreicht. Das Gedicht beschwört Bilder von sonnigen Küsten und dem „heil′gen Meer“, das an den „Mutterbrüsten“ der Erde wiegt, wodurch die Sehnsucht nach einer verlorenen Kindheit und unschuldigen Zeiten verstärkt wird. Das „Flammenauge“ (die Sonne) blickt auf eine idyllische Landschaft herab, die die Träume des Dichters nährt.

Die folgenden Strophen drücken die innere Erneuerung des Dichters aus, die durch die Rückkehr der Schwalbe angestoßen wird. In den Versen wird der Winter als Zeit der Dunkelheit, des Schlafs und des Kummers dargestellt. Das Herz des Dichters „schlief den Winterschlaf“, bis die „Stimme“ der Schwalbe das Leben zurück in die Seele rief. Die Metapher der Auferstehung wird verwendet, um das Wiedererwachen der Gefühle und Hoffnungen zu beschreiben. „Wünsche, tief verhüllt vom Tod“ und „Hoffnungen, die lange schliefen“ erheben sich aus der Tiefe, um im Morgenrot zu jubeln.

In den letzten Strophen erfährt die Freude über die Ankunft des Frühlings und das damit verbundene Erwachen eine Intensivierung. Der Dichter vergleicht die Befreiung seiner Seele mit einem Schmetterling, der aus dem „Kummers Grabgespinste“ ausbricht und sich in der „goldnen Frühlingstag“ erfreut. Die „Liebeslust“ erwacht, und die „Freuden“ steigen aus der Gruft empor. Das Gedicht endet mit einer Ode an die Schwalbe, die als „Rettungsbotin“ und „gottgesandter Geist“ gefeiert wird, die den Dichter aus der Vergangenheit befreit und ihm eine bessere Zukunft verheißt. Die Schwalbe ist somit mehr als nur ein Frühlingsbote, sie wird zu einem Symbol für die Hoffnung, die Erneuerung und die Unsterblichkeit der Seele.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.