Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, ,

Die englischen Fräuleins

Von

Die englischen Fräuleins gehen in langer Kette durch die Stadt,
Zwei und zwei, in ihren schwarzen Mänteln wie Morcheln, die man aus dem Boden gerissen hat.
Aber im Sommer tragen sie violette
Schärpen um den Leib. Sie schlafen allein im Bette.
– – – – – – – – – – –
Manche ist so schön,
Man möchte einmal mit ihr schlafen gehn.
Aber sie sind so klein in ihren schwarzen Kapuzen,
Ich glaube, wenn man sie lieben will, braucht man ein ganzes Dutzend.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die englischen Fräuleins von Klabund

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die englischen Fräuleins“ von Klabund ist eine ironische Beobachtung der gleichnamigen Frauen, die in einer klösterlichen Gemeinschaft leben. Es beginnt mit einer nüchternen Beschreibung ihres Äußeren und ihres Verhaltens in der Öffentlichkeit. Der Vergleich mit „Morcheln, die man aus dem Boden gerissen hat“ ist dabei sowohl ungewöhnlich als auch ein wenig abwertend, da er die Fräuleins als etwas Fremdes und möglicherweise Unnatürliches darstellt, das der natürlichen Umgebung entrissen wurde. Die Erwähnung der violetten Schärpen im Sommer deutet auf eine gewisse Lebensfreude und den Wunsch nach Individualität hin, der jedoch durch die strenge Kleidung und das Leben in Gemeinschaft eingeschränkt wird. Die letzte Zeile des ersten Teils, „Sie schlafen allein im Bette“, verstärkt das Bild der Einsamkeit und des Verzichts, das mit ihrem Leben verbunden ist.

Der zweite Teil des Gedichts ändert den Ton und führt eine persönliche Perspektive ein. Der Sprecher äußert den Wunsch, mit einer der Frauen zu schlafen, was auf eine erotische Anziehungskraft hindeutet, die von ihrer äußeren Erscheinung ausgeht. Allerdings wird dieser Wunsch sogleich mit einer ironischen Übertreibung konfrontiert. Die Bemerkung, dass man ein „ganzes Dutzend“ brauchen würde, um sie zu lieben, reduziert die Frauen auf eine stereotype Vorstellung und spielt mit dem Gedanken, dass ihre zurückhaltende, möglicherweise scheue Natur die Liebe erschwert oder gar unmöglich macht.

Die Ironie des Gedichts liegt in dem Kontrast zwischen dem äußeren Erscheinungsbild der Frauen und den Gedanken des Sprechers. Während sie in ihrem Verhalten und ihrer Kleidung eine gewisse Distanziertheit und Keuschheit ausstrahlen, weckt ihre Erscheinung gleichzeitig sexuelle Fantasien. Die Beschreibung der „kleinen“ Frauen in ihren „schwarzen Kapuzen“ unterstreicht ihre Verletzlichkeit und ihre Abschirmung von der Außenwelt, was die Ironie noch verstärkt. Der Sprecher entlarvt die Widersprüche zwischen der klösterlichen Lebensweise und dem menschlichen Verlangen nach Nähe und Intimität.

Klabunds Gedicht ist eine subtile Kritik an den gesellschaftlichen Konventionen und Erwartungen, die mit dem Leben in einem Kloster verbunden sind. Es wirft Fragen nach Einsamkeit, Keuschheit und der Natur menschlicher Sehnsüchte auf. Gleichzeitig ist es eine humorvolle Betrachtung der erotischen Fantasien und der Schwierigkeiten, die mit dem Versuch einhergehen, die von anderen auferlegten Grenzen zu überschreiten. Die Ironie liegt in dem Zusammenspiel von äußerer Zurückhaltung und innerem Begehren, wodurch die „englischen Fräuleins“ zu einem faszinierenden und widersprüchlichen Objekt der Begierde und Betrachtung werden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.