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Die Ehekämpen (8)

Von

Frisch wie des Gletschers Quelle
Hervorspringt in das Thal,
Entzückt, daß ihre Welle
Begrüßt des Tages Strahl,
Und brausend nun zerschläget
Ihr Bett von Felsgestein,
Nachdem sie sich beweget
So lang in Nacht allein; –

So frisch und so urkräftig
Herrn Corsant es durchwallt,
So war in ihm geschäftig
Der Liebe Allgewalt;
Es sprenget ihre Quelle
Mit um so höh′rer Lust
Die eigensinn′ge Schwelle
Der kalten Felsenbrust.

Rasch wollt′ er sich erretten
Aus seiner Buße Nacht,
Nun seufzet er nach Ketten,
Die er so oft verlacht.
Wo sind der Heimath Sorgen?
Was kümmert ihn Turin?
Mit jedem neuen Morgen
Sieht man zum Schloß ihn ziehn.

Dort unter jenen Bäumen,
Wo er zuerst sie sah,
Geht er in wachen Träumen,
Bis sie ihm wieder nah;
Bis sie lustwandelnd kommen,
Frau Bertha mit dem Kind,
Jolanthe zwar beklommen,
Das Herz doch frohgesinnt.

Zum Seufzen doch und Schmachten
Läßt Bertha ihm nicht Zeit,
Wollt′ er die Lieb′ verachten,
Fühl′ er auch jetzt ihr Leid.
Er möcht′ so gern ihr sagen,
Was tief sein Herz bewegt –
Mit tausend lust′gen Fragen
Sie stets zurück ihn schlägt.

Jolanthe zittert freilich,
Wie sie ihn neckt und plagt.
»Ihr hattet′s doch so eilig,
Wann zieht Ihr heim denn, sagt?
Warum geht Ihr nicht holen
Am Hof des Herzogs dort,
Wie ich es doch befohlen,
Für Euch ein Weib sofort?«

»Weil ich nur hier will minnen«,
Herr Corsant drauf entbeut,
»Ich streb′ mit allen Sinnen
Nach einer Schweizermaid.«
»Dann bleibet hier nicht stehen,
Sonst seid Ihr übel dran,
Sie will ins Kloster gehen,
Ich hab′ schon einen Mann!«

»Und doch will hier ich freien,
Frau Bertha von Blonay,
Trotz Euren Schelmereien
Bleib′ ich in Eurer Näh′!«
Er mochte schon vertrauen
Auf seinen Uebermuth,
Die Augen dort, die blauen,
Sie machen alles gut.

Sie sprechen so herzinnig
Von süßer Lieb′ und Treu′,
Und flehen doch so innig,
Voll zarter Mädchenscheu.
»O schweige noch, du Trauter,
Daß noch kein Hauch gesteht
Der Seele heil′gen Schauder,
Der wonnig uns durchweht.«

Er muß sich vor ihr neigen
In sel′ger Trunkenheit,
Dann bringt ihr banges Schweigen
Ihm neue Traurigkeit;
Aufs neue weilt voll Sorgen
Auf ihr sein Sehnsuchtsblick,
»Geduld, noch gibt′s ein Morgen!«
Schaut lächelnd sie zurück.

O Knospe junger Liebe,
Die sich entfaltet still,
Und noch in sprödem Triebe
Den Kelch nicht öffnen will,
Du gleichst der Alpen-Frauen
Erhabner Majestät,
So hat bei deren Schauen
Ihn Ehrfurcht tief umweht!

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Gedicht: Die Ehekämpen (8) von Luise Büchner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Ehekämpen (8)“ von Luise Büchner zeichnet ein facettenreiches Bild der Liebe und des Werbens, das weit über eine bloße Liebeserklärung hinausgeht. Es beleuchtet die komplexen Emotionen und Herausforderungen, die mit dem Begehren, der Verführung und der letztendlichen Entscheidung für eine Beziehung einhergehen. Das Gedicht ist in einem Dialog aufgebaut, der die innere Zerrissenheit des Protagonisten Corsant und die spielerische, aber bestimmte Haltung der geliebten Frau Bertha offenbart.

Der Text beginnt mit Naturbildern, die die ursprüngliche Kraft und den ungestümen Drang der Liebe beschreiben, vergleichbar mit einer Quelle, die aus dem Eis entspringt und sich ihren Weg bahnt. Diese Metaphern unterstreichen die Natürlichkeit und die Unwiderstehlichkeit der Liebe, die Corsant erfasst. Er sehnt sich nach Ketten, die er einst verachtete, ein starkes Symbol für die Wandlung, die die Liebe in ihm bewirkt hat. Der Dichterin gelingt es, die Entwicklung von Corsants Gefühlen und seine Sehnsucht nach Bertha nachvollziehbar darzustellen, indem sie die Wandlung des Mannes von einem ungebundenen Mann zu einem Verehrer der Frau Bertha zeigt.

Die zentrale Figur des Gedichts ist der spielerische Wettstreit zwischen Corsant und Bertha. Ihre Dialoge offenbaren die subtile Dynamik der Anziehung, des Verlangens und der gegenseitigen Herausforderung. Bertha scheint sich zunächst zurückhaltend zu geben, provoziert Corsant aber gleichzeitig mit neckischen Bemerkungen. Dabei wird deutlich, dass sie eine starke Persönlichkeit besitzt und Corsants Werben nicht einfach ohne Gegenleistung hinnehmen will. Die Art und Weise, wie sie ihn neckt und ihn gleichzeitig mit ihren blauen Augen bezaubert, zeigt ihre Macht und ihren Einfluss auf ihn.

Das Gedicht kulminiert in einem Moment der Zärtlichkeit und der gegenseitigen Ehrfurcht. Die Liebenden drücken die Heiligkeit ihrer Gefühle aus und bitten um Geduld, bis sich ihre Liebe voll entfaltet hat. Das Bild der Alpen-Frauen und der Knospe der Liebe symbolisiert die Schönheit, Reinheit und das Potenzial ihrer aufkeimenden Beziehung. Es deutet auf einen Prozess des Wachstums und der Reifung hin, bei dem die wahre Liebe Zeit braucht, um sich zu entfalten. Das Gedicht feiert somit nicht nur die romantische Liebe, sondern auch die Herausforderungen und Freuden, die mit der gegenseitigen Annäherung und der endgültigen Hingabe einhergehen.

Die Sprache des Gedichts ist bildreich und verwendet eine Vielzahl von Metaphern und Vergleichen, um die Gefühle und die Entwicklung der Beziehung auszudrücken. Der Reichtum an Naturmetaphern, besonders zu Beginn, unterstreicht die ursprüngliche Kraft der Liebe. Die Dialoge sind lebendig und geben Einblicke in die Persönlichkeiten der Charaktere. Die Verwendung von Ausrufezeichen und rhetorischen Fragen verstärkt die Emotionalität des Gedichts und fesselt den Leser. Das Gedicht ist somit ein Spiegelbild der menschlichen Erfahrung von Liebe, Verlangen und dem Werben, das die Essenz des menschlichen Herzens einfängt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.