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Die Dicken und die Dünnen

Von

Fünfzig Jahre sind’s, da riefen unsre Eltern zu den Waffen:
Krieg und Kampf den dicken, plumpen, kugelrunden, feisten Pfaffen!
Auch in Waffen steh’n wir Enkel; jetzt doch muß die Losung sein:
Krieg und Kampf den dünnen, magern, spindelhagern Pfäffelein!

Aber wo gab’s größre Arbeit, welcher Kampf bot mehr Gefahren?
Wo galt’s fester auszudauern, wo galt’s klüger sich zu wahren?
Lauthin schnaubt die plumpe Wildsau, wenn sie durch das Dickicht keucht,
Aber leise kriecht die Viper, die nach deinen Fersen schleicht!

Einst verschnarchten dicke Pfaffen ganze Tag’ in süßem Schläflein,
Jetzt doch liegen auf der Lauer immer wach die dünnen Pfäfflein;
Jene brüllten ihre Inbrunst heulend in die Welt hinein,
Diese winseln ihren Jammer, Katern gleich im März, so fein.

Mächt’gen, schweren Folianten glichen einstens jene Dicken,
»Allgemeines großes Kochbuch« stand als Inschrift auf dem Rücken;
Einem schmalen kleinen Büchlein sind die Dünnen gleich, fürwahr,
»Kurzgefaßte Gaunerstücklein« beut das Titelblatt euch dar.

Mit der Grobheit und der Dummheit hattet einst den Kampf, ihr Alten,
Doch der Artigkeit und Schlauheit müssen wir die Stange halten!
Einstens rannten euch die Dicken mit dem Wanst die Thüren ein,
Doch es kriechen jetzt die Dünnen uns durchs Schlüsselloch herein.

Längst schon hat ein tapfrer Ritter kühn der Dicken Heer gebändigt,
Und als goldner Stern des Tages jene finstre Nacht geendigt,
Joseph hieß der Stern und Ritter! Wien, du kannst sein Denkmal seh’n
Ach und will denn gen die Dünnen nimmer solch ein Held ersteh’n?

O so steigt ihr Dicken wieder lebend aus der Todesurne!
Doch mit altem gutem Magen! Werdet christliche Saturne!
Und verschlingt den magern Nachwuchs, o dann sind wir beider los,
Denn nicht lange mehr kann leben, wer solch’ gift’ge Kost genoß!

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Gedicht: Die Dicken und die Dünnen von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Dicken und die Dünnen“ von Anastasius Grün ist eine satirische Auseinandersetzung, die sich auf einen Generationenkonflikt und eine Veränderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse bezieht. Das Gedicht, das sich in einer Form der politischen Satire präsentiert, verwendet die Metaphern „Dicke“ und „Dünne“ als Symbole für verschiedene Gruppen von Menschen, wahrscheinlich Geistliche oder politische Gegner, die sich in ihren Eigenschaften, Taktiken und in ihrem Einfluss unterscheiden.

In den ersten Versen wird eine Gegenüberstellung von zwei Generationen hergestellt. Die ältere Generation, die „Dicken“, wird mit den Waffen in Verbindung gebracht, während die jüngere Generation, die „Dünnen“, als ihre Gegner identifiziert werden. Es wird ein Kriegszustand zwischen diesen beiden Gruppen suggeriert, wobei die Eigenschaften der „Dicken“ und „Dünnen“ in den folgenden Strophen genauer untersucht werden. Dabei werden die „Dicken“ als grob, plump und offen dargestellt, während die „Dünnen“ als schlauer, heimtückischer und subtiler beschrieben werden. Diese Unterschiede in den Charakterzügen spiegeln eine Verschiebung in den Methoden der Machtausübung und des sozialen Einflusses wider.

Die Metaphern des Gedichts werden durch Vergleiche erweitert. Die „Dicken“ werden mit Wildschweinen und schweren Folianten verglichen, während die „Dünnen“ als Vipern und kleine Büchlein dargestellt werden. Diese Vergleiche verstärken die Kontraste zwischen den beiden Gruppen und heben die Veränderung der Machtstrukturen hervor. Die „Dicken“ verkörpern die alte Ordnung, die durch grobe Gewalt und offene Darstellung von Macht geprägt war, während die „Dünnen“ die neue Ordnung repräsentieren, die sich durch List, Schlauheit und subtile Manipulation auszeichnet.

Das Gedicht endet mit einem Aufruf zur Rückkehr der „Dicken“ und einer Aufforderung zur Selbstzerstörung des „magern Nachwuchses“. Dieser Schluss deutet auf eine pessimistische Sichtweise des Autors hin, der die Gefahr einer neuen, für ihn negativen Entwicklung sieht. Der Wunsch nach einer Rückkehr der „Dicken“ und die Hoffnung, dass sie die „Dünnen“ verschlingen, unterstreichen die satirische Natur des Gedichts und die Kritik an den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen. Es zeigt einen resignierten Ausblick auf die Zukunft, in der die neuen Machtstrukturen als gefährlich angesehen werden.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.