Die böse Farbe
Ich möchte ziehn in die Welt hinaus,
Hinaus in die weite Welt;
Wenn′s nur so grün, so grün nicht wär,
Da draußen in Wald und Feld!
Ich möchte die grünen Blätter all
Pflücken von jedem Zweig,
Ich möchte die grünen Gräser all
Weinen ganz totenbleich.
Ach Grün, du böse Farbe du,
Was siehst mich immer an
So stolz, so keck, so schadenfroh,
Mich armen weißen Mann?
Ich möchte liegen vor ihrer Tür
In Sturm und Regen und Schnee.
Und singen ganz leise bei Tag und Nacht
Das eine Wörtchen: Ade!
Horch, wenn im Wald ein Jagdhorn schallt,
Da klingt ihr Fensterlein!
Und schaut sie auch nach mir nicht aus,
Darf ich doch schauen hinein.
O binde von der Stirn dir ab
Das grüne, grüne Band;
Ade, ade! Und reiche mir
Zum Abschied deine Hand!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die böse Farbe“ von Wilhelm Müller ist eine melancholische Reflexion über die Farbe Grün und die damit verbundenen Emotionen von Sehnsucht, Trauer und unerwiderter Liebe. Der Sprecher empfindet eine tiefe Ablehnung gegenüber der allgegenwärtigen grünen Farbe in der Natur, die ihn an seine unerfüllten Wünsche und sein Leid erinnert.
Die erste Strophe drückt den Wunsch nach Aufbruch und Veränderung aus, der jedoch durch die penetrante Präsenz des Grüns in der Natur vereitelt wird. Die zweite Strophe manifestiert den Wunsch des Sprechers, die Natur und das Grün zu zerstören, indem er die Blätter und Gräser „totenbleich“ weinen lassen möchte. Dies deutet auf eine tiefe Verzweiflung und den Wunsch hin, die Quelle seines Schmerzes zu eliminieren. In der dritten Strophe wird die Farbe Grün personifiziert und als „böse“ bezeichnet, was die Quelle des Leids des Sprechers ist, der sich als „armen weißen Mann“ identifiziert und sich der Farbe Grün als unterlegen empfindet.
In den folgenden Strophen offenbart sich das eigentliche Motiv des Gedichts: unerwiderte Liebe. Der Sprecher möchte vor der Tür der Geliebten im Sturm und Regen liegen, Tag und Nacht „Ade“ singen. Die grüne Farbe ist hier nicht nur ein Symbol für die Natur, sondern auch für die Geliebte und ihre Distanziertheit. Das Jagdhorn im Wald, das mit dem Fenster der Geliebten in Verbindung gebracht wird, verstärkt die Sehnsucht und das Gefühl des Ausschlusses. Die letzte Strophe ist ein verzweifelter Appell an die Geliebte, das grüne Band von der Stirn zu nehmen, also die Verbindung zum Grün zu lösen, und ihm zum Abschied die Hand zu reichen.
Die Verwendung des Reimschemas (ABAB) und die einfachen, fast volksliedhaften Worte verstärken die emotionale Wirkung des Gedichts. Die Wiederholung von „grün“ und „Ade“ unterstreicht die zentrale Thematik von Ablehnung und Abschied. Müllers Gedicht fängt die Gefühlswelt eines Liebenden ein, der von unerfüllter Sehnsucht gequält wird und die Natur als Spiegelbild seines eigenen Leidens wahrnimmt, wobei die grüne Farbe als Symbol für die unnahbare Geliebte und das daraus resultierende Leid dient.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.