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Die Aufgeregten

Von

Welche tief bewegten Lebensläufchen,
Welche Leidenschaft, welch wilder Schmerz!
Eine Bachwelle und ein Sandhäufchen
Brachen gegenseitig sich das Herz!

Eine Biene summte hohl und stiess
Ihren Stachel in ein Rosendüftchen,
Und ein holder Schmetterling zerriss
Den azurnen Frack im Sturm der Mailüftchen!

In ein Tröpflein Tau am Butterblümchen
Stürzt′ sich eine kleine Käferfrau,
Und die Blume schloss ihr Heiligtümchen
Sterbend über dem verspritzten Tau!

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Gedicht: Die Aufgeregten von Gottfried Keller

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Aufgeregten“ von Gottfried Keller ist eine ironische Miniaturen-Satire, die in einem kurzen, aber prägnanten Tableau die übertriebene Dramatik und den kleinlichen Leidensdrang in einer scheinbar unbedeutenden Welt vorführt. Das Gedicht nimmt eine spielerische, fast groteske Perspektive ein, indem es alltägliche, unaufgeregte Ereignisse mit pathetischen Begriffen und Bildern von großer Tragik überzieht. Die Ironie entsteht durch den Kontrast zwischen dem banalen Inhalt und der übertriebenen, dramatischen Sprache.

Die ersten beiden Strophen etablieren diesen Kontrast. Die „tief bewegten Lebensläufchen“ und der „wilde Schmerz“ beziehen sich auf eine Welle und einen Sandhaufen, die sich gegenseitig das „Herz“ brechen. Eine Biene, die einen Stachel in ein Rosendüftchen stößt, und ein Schmetterling, dessen „azurner Frack“ im Wind zerrissen wird, setzen diese Übertreibung fort. Kellers Wahl, solche kleinen, unscheinbaren Dinge mit so großen Emotionen zu verbinden, entlarvt die Tendenz, menschliche Gefühle auf banale Situationen zu projizieren und so eine übertriebene Dramatik zu erzeugen.

Die dritte Strophe verstärkt diesen Eindruck. Ein Käfer stürzt sich in ein Tautröpfchen und die Blume schließt sich „sterbend“ über dem verspritzten Tau. Diese Zeilen erreichen den Höhepunkt der Ironie, indem sie den Tod mit einem einfachen, alltäglichen Ereignis verbinden. Der Einsatz von Wörtern wie „zeriss“, „stürzt sich“ und „sterbend“ trägt dazu bei, die Tragödie des Alltäglichen zu überzeichnen.

Insgesamt kritisiert Keller mit „Die Aufgeregten“ auf humorvolle Weise die Überbewertung und Dramatisierung von scheinbar unbedeutenden Ereignissen. Das Gedicht ist eine subtile Kritik an übertriebenen Emotionen und an der menschlichen Neigung, kleine Dinge zu großen Tragödien aufzubauschen. Die pointierte Sprache und die absurden Bilder dienen als Spiegelbild der menschlichen Natur, die dazu neigt, auch im Kleinsten nach dem Großen zu suchen und dabei die wirkliche Perspektive zu verlieren.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.