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Der verschmähte Liebhaber

Von

An den Herrn Feldprediger P…….l

Ein holdes Mägdlein kam gegangen,
Die Reue triebs zum Beichtstuhl hin.
Entsündigung war das Verlangen
Der jugendlichen Büßerin.
Die Haare aufgelöst in Locken,
Und reuig, wie einst Magdalene,
Im Auge hing ihr eine Thräne,
So hub sie endlich an mit Stocken:

»Herr Pater, schwer hab‘ ich gesündigt,
Doch Reu‘ zerfleischet nun mein Herz.
Wenn euer Mund mir Heil verkündigt,
O so wird Lind’rung meinem Schmerz.
Hört, einem Jüngling war ich theuer,
Erst hab‘ ich Liebe ihm gelogen,
Und dann sein treues Herz betrogen.
Verspottet der Gefühle Feuer.

Der Reue steht mein Herz nun offen,
Sagt, wird der Himmel gnädig seyn?
O sagt, darf ich Vergebung hoffen,
Mich laben an der Hoffnung Schein?
O seht, wie meine Thränen rinnen,
Ach! rettet meine arme Seele,
Auf daß ich mich nicht länger quäle,
Doch müßt ihr euch nicht lang besinnen.«

»Mein Kind«, sprach er nach langem Beten,
»Der Hölle zwar gehörst Du an,
Doch deine Seele will ich retten,
Als Christ – und als ein frommer Mann.
Umsonst wirst du es nicht begehren.
Daß ich die schwarze Seel‘ dir wasche,
So blank wie eine Pudertasche,
Wirst, was ich fordre, gern gewähren.«

»Herr Pater«, hub sie an mit Zagen,
»Wie macht ihr mir das Herz so schwer;
Der Beichtpfennig, ich muß es sagen,
Der ist ja längst nicht Mode mehr.
Jedoch ich reich‘ euch gern die Spende,
Hier habt ihr einen blanken Gulden,
Nun sprecht mich frei von meinen Schulden,
Macht der Geschichte schnell ein Ende.«

»Das Geld betracht‘ ich mit Verachten,
Ich leistete der Armuth Schwur,
Doch meines Herzens heißes Schmachten,
Es sucht zum deinigen die Spur.
Laß Götterseligkeit mich trinken,
Nur einen Tropfen laß mich nippen,
Nur einen Kuß von diesen Lippen,
Und dann will ich in Nacht versinken.«

»Ich glaube gar, ihr wollt mich necken,
Ja, ja, Herr Pater, ihr seyd fein!
Den Kuß begehrt ihr, mich zu schrecken,
Scherz oder Ernst; ich sage nein.«
»Ich liebe dich, du holdes Wesen,
Nur einen Kuß sollst du mir zollen. -«
»Könnt euch mit eurer Liebe trollen,
Euch hab‘ ich mir nicht auserlesen.«

»Ich bin ein schwacher Mensch geblieben,
Ich schwöre Lieb‘ und Treue dir.«
»Herr Pater, euch kann ich nicht lieben,
Steckt eure Nase ins Brevier.
E pfui, Herr Pater, welche Schande!
Auch am Altar habt ihr geschworen –
Habt das Gedächtniß ihr verloren?
Pfui! Unehr‘ macht ihr euerm Stande.«

»Du Satanskind, du Brut der Hölle,
Ich glaube gar, du sprichst mir Hohn!
Den Kuß giebst du mir auf der Stelle,
Sonst keine Absolution.«
»Je nun, die mögt ihr nur behalten,
Bei euch will ich nicht länger weilen,
Zu einem andern will ich eilen,
Der sie mir giebt, zum guten Alten.«

Die Schöne floh mit raschen Schritten,
Beschämt war der moderne Faun!
Die Kränkungen, die er erlitten,
Der Ärger färbt‘ ihn blau und braun.
»Ja, ja, sprach er, doch ohne Zeugen,
Fürwahr das Mädchen muß ich ehren,
Sie gab mir naseweiße Lehren,
Doch giebts nur wen’ge, die ihr gleichen.«

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Gedicht: Der verschmähte Liebhaber von Kathinka Zitz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der verschmähte Liebhaber“ von Kathinka Zitz ist eine satirische Auseinandersetzung mit Heuchelei, Doppelmoral und der Entlarvung einer Scheinheiligkeit innerhalb der Kirche und der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Es erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, das sich bei einem Feldprediger beichten möchte, und die unerwarteten, weltlichen Avancen, die es erfährt. Die Autorin nutzt dabei eine Ironie, die sowohl die fromme Fassade des Geistlichen als auch die vermeintliche Reue der Büßerin dekonstruiert.

Das Gedicht beginnt mit der Darstellung der jungen Frau, die Reue empfindet und nach Vergebung sucht. Doch der Schein trügt, denn die wahre Absicht des Feldpredigers wird schnell offenbar. Anstatt Trost und Vergebung zu spenden, versucht er, die junge Frau für sich zu gewinnen, indem er sie zunächst mit einer vermeintlich strengen Beurteilung einschüchtert, um dann seine eigenen, weltlichen Gelüste auszuleben. Der Geistliche, der eine „fromme“ Rolle spielt, erweist sich als verlogen und unmoralisch, während die junge Frau sich als weitaus aufrichtiger und moralisch überlegen erweist.

Die Autorin verwendet geschickt den Kontrast zwischen der erhofften religiösen Erwartung und der tatsächlichen Handlung des Geistlichen, um die Heuchelei zu unterstreichen. Der Prediger, der angeblich der Armut geschworen hat, verlangt zunächst eine finanzielle Zuwendung, um dann seine sinnlichen Wünsche zu offenbaren. Als die junge Frau seine Avancen zurückweist und ihn sogar als Heuchler entlarvt, verfällt er in Wut und droht, ihr die Absolution zu verweigern. Dies führt zur endgültigen Demaskierung des Feldpredigers und zeigt, wie weit er sich von seinen eigenen Idealen entfernt hat.

Am Ende wird die Frau zur Siegerin und der Feldprediger zum Gespött. Die Autorin hebt die Stärke der Frau hervor, indem sie ihre Fähigkeit zeigt, sich gegen die Übergriffe des Geistlichen zu wehren und ihre eigene Moral aufrechtzuerhalten. Die abschließenden Zeilen zeigen die Verbitterung des Predigers, der jedoch gleichzeitig die Intelligenz und den Charakter der jungen Frau anerkennt, was die Ironie des Gedichts noch verstärkt. Kathinka Zitz kritisiert so die Doppelmoral und die Scheinheiligkeit der Kirche, indem sie die Figuren in einer satirischen Weise überzeichnet und die Leser zum Nachdenken anregt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.