Der stürmische Morgen
Wie hat der Sturm zerrissen
Des Himmels graues Kleid!
Die Wolkenfetzen flattern
Umher im matten Streit.
Und rote Feuerflammen
Zieh′n zwischen ihnen hin;
Das nenn′ ich einen Morgen
So recht nach meinem Sinn!
Mein Herz sieht an dem Himmel
Gemalt sein eig′nes Bild –
Es ist nichts als der Winter,
Der Winter, kalt und wild!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der stürmische Morgen“ von Wilhelm Müller zeichnet ein eindringliches Bild von der emotionalen Landschaft des Sprechers, indem es die Naturgewalten mit den inneren Zuständen des Herzens vergleicht. Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung eines stürmischen Morgens, dessen „graues Kleid“ vom Sturm zerrissen wird. Diese bildhafte Sprache etabliert sofort eine Atmosphäre der Unruhe und des Chaos, die sich in den „Wolkenfetzen“ fortsetzt, die „umher im matten Streit“ flattern. Die Beschreibung der Natur dient als Spiegelbild der inneren Zerrissenheit und des Konflikts des lyrischen Ichs.
Der zweite Abschnitt intensiviert das Bild, indem „rote Feuerflammen“ zwischen den Wolken erscheinen. Diese visuellen Elemente verleihen der Szene eine zusätzliche Dramatik und suggerieren ein Gefühl der Zerstörung und des Schmerzes. Das lyrische Ich reagiert auf diese turbulente Szenerie mit einem Gefühl der Zustimmung: „Das nenn‘ ich einen Morgen / So recht nach meinem Sinn!“ Diese Reaktion ist bemerkenswert, da sie darauf hindeutet, dass der Sprecher eine Affinität oder zumindest eine Resonanz in der gewalttätigen Natur findet. Die Sturm ist also nicht nur ein äußerer Zustand, sondern spiegelt die innere Gefühlswelt wider.
Die letzten beiden Verse offenbaren die eigentliche Bedeutung des Gedichts. Das lyrische Ich erkennt sein „eig′nes Bild“ am Himmel und identifiziert es als den Winter. Der Winter, der hier als Metapher für die emotionale Kälte und Wildheit steht, symbolisiert die tiefgreifende Melancholie, die das Herz des Sprechers durchdringt. Die Naturgewalten sind also nicht nur ein Ausdruck der äußeren Welt, sondern eine Projektion der inneren Kämpfe und des Schmerzes.
Insgesamt ist „Der stürmische Morgen“ ein tiefgründiges Gedicht, das die Verbindung zwischen Natur und menschlicher Emotion erforscht. Die eindringliche Naturbeschreibung dient als Hintergrund für die Auseinandersetzung mit den Gefühlen des lyrischen Ichs, wobei die Stärke des Stürms die Tiefe der inneren Zerrissenheit widerspiegelt. Das Gedicht endet mit der Erkenntnis, dass das Herz des Sprechers von der Kälte und Wildheit des Winters geprägt ist, was eine tiefe Melancholie andeutet und die ergreifende Natur der menschlichen Erfahrung hervorhebt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.