Verflucht ihr dunklen Gifte,
Weißer Schlaf!
Dieser höchst seltsame Garten
Dämmernder Bäume
Erfüllt von Schlangen, Nachtfaltern,
Spinnen, Fledermäusen.
Fremdling! Dein verlorner Schatten
Im Abendrot,
Ein finsterer Korsar
Im salzigen Meer der Trübsal.
Aufflattern weiße Vögel am Nachtsaum
Uber stürzenden Städten
Von Stahl.
Der Schlaf
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Schlaf“ von Georg Trakl ist eine düstere Reflexion über den Zustand des Schlafes, der hier als etwas Bedrohliches und Vergiftendes dargestellt wird. Die Eröffnungszeile, „Verflucht ihr dunklen Gifte, / Weißer Schlaf!“, etabliert sofort eine ablehnende Haltung und deutet auf die negativen Assoziationen des Dichters mit dem Schlaf hin. Der „weiße Schlaf“ scheint hier paradoxerweise als eine Quelle von „dunklen Giften“ dargestellt zu werden, was auf eine Vergiftung des Bewusstseins oder der Seele hindeutet, die im Schlaf stattfindet.
Die folgende Bildsprache verstärkt den beunruhigenden Charakter des Gedichts. Der Schlaf wird mit einem „höchst seltsamen Garten“ verglichen, der von Kreaturen wie „Schlangen, Nachtfaltern, / Spinnen, Fledermäusen“ bewohnt wird. Diese Tiere, oft Symbole von Finsternis, Verfall und Unheimlichkeit, schaffen eine Atmosphäre des Unbehagens und der Bedrohung. Der Schlaf wird als ein Ort der Gefahr und des Abgrunds dargestellt, in dem das Bewusstsein des Dichters zu ertrinken droht. Die Anwesenheit von „dämmernden Bäumen“ unterstreicht die verschwommene Grenze zwischen Realität und Traumwelt und verstärkt die beklemmende Atmosphäre.
Der zweite Teil des Gedichts führt den „Fremdling“ ein, dessen „verlorner Schatten“ im Abendrot, „ein finsterer Korsar / Im salzigen Meer der Trübsal“, dargestellt wird. Diese Bilder erzeugen ein Gefühl der Isolation und des Verlustes. Der Fremde ist verloren, seine Kontur verschwimmt im Untergang der Sonne, und er segelt auf einem Meer aus Traurigkeit. Dies könnte eine Metapher für die Erfahrung des Träumens oder des Schlafes sein, in dem sich der Einzelne von der Realität entfernt und in eine Welt der Düsternis und der emotionalen Turbulenzen eintaucht. Der Korsar steht für einen Seelenverräter, der das Meer der Trübsal durchfährt.
Die abschließenden Zeilen, „Aufflattern weiße Vögel am Nachtsaum / Über stürzenden Städten / Von Stahl“, bringen eine surreale, apokalyptische Vision. Die „weißen Vögel“ könnten Symbole der Seele oder der Träume sein, die aus den „stürzenden Städten / Von Stahl“ aufsteigen. Diese Städte könnten das Innere des Träumenden oder die Welt des Unterbewusstseins repräsentieren, die von Angst, Verfall und dem Gefühl des Untergangs beherrscht wird. Das Bild des Sturzes unterstreicht die Unbeständigkeit und das Gefühl der Hilflosigkeit im Schlaf. Insgesamt erzeugt Trakl durch seine eindringliche Bildsprache ein beklemmendes und verstörendes Bild des Schlafs, das mehr als eine einfache Ruhepause ist, sondern ein Reich des Unbekannten und der Gefahr darstellt.
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Lizenz und Verwendung
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