Der Mensch [3]
Wenn aus sich lebt der Mensch und wenn sein Rest sich zeiget,
So ist′s, als wenn ein Tag sich Tagen unterscheidet,
Dass ausgezeichnet sich der Mensch zum Reste neiget,
Von der Natur getrennt und unbeneidet.
Als wie allein ist er im andern weiten Leben,
Wo rings der Frühling grünt, der Sommer freundlich weilet,
Bis dass das Jahr im Herbst hinunter eilet,
Und immerdar die Wolken uns umschweben.
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![Gedicht: Der Mensch [3] von Friedrich Hölderlin](https://poesie-oase.de/wp-content/uploads/2025/07/poem_der_mensch_3_friedrich_h_lderlinz2429.webp)
Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Mensch“ von Friedrich Hölderlin reflektiert über die einzigartige Stellung des Menschen innerhalb der Natur und die daraus resultierende Isolation. Die ersten beiden Zeilen etablieren die Unterscheidung des Menschen, der sich von seinem Wesen her von allem anderen abhebt, so wie ein Tag sich von anderen Tagen unterscheidet. Die Verwendung des Wortes „Rest“ deutet auf eine Art Überbleibsel oder etwas, das sich auszeichnet, was auf die besondere, aber auch abgetrennte Position des Menschen hindeutet. Die Formulierung „von der Natur getrennt und unbeneidet“ unterstreicht die Ambivalenz dieser Sonderstellung: Der Mensch ist zwar Teil der Natur, aber zugleich von ihr distanziert.
In der zweiten Strophe wird die Einsamkeit des Menschen in dieser Abgeschiedenheit thematisiert. Die Zeilen „Als wie allein ist er im andern weiten Leben“ beschreiben das Gefühl der Absonderung inmitten der üppigen Fülle der Natur, wo Frühling, Sommer und Herbst ihren Lauf nehmen. Hölderlin zeichnet hier ein Bild der Natur, die in ständiger Bewegung und Veränderung begriffen ist, doch der Mensch scheint in seiner Isolation von diesem Kreislauf getrennt. Die Formulierung „im andern weiten Leben“ suggeriert eine Gegenüberstellung zweier Welten – die des Menschen und die der Natur.
Die Natur, in der der Mensch lebt, wird im Gedicht als lebendig und ständig wechselnd dargestellt. Der Wechsel der Jahreszeiten vom Frühling bis zum Herbst symbolisiert den natürlichen Zyklus des Lebens und der Veränderung, dem sich der Mensch jedoch nicht vollständig anschließt. Die omnipräsenten „Wolken“ am Ende des Gedichts könnten als Metapher für Unsicherheit, Vergänglichkeit oder die ständige Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz und ihren Grenzen interpretiert werden.
Insgesamt wirft Hölderlin in diesem Gedicht Fragen nach der menschlichen Existenz und ihrer Beziehung zur Natur auf. Es ist ein Nachdenken über die Sonderstellung des Menschen, seine Abgrenzung von der Natur und das Gefühl der Einsamkeit, das daraus erwachsen kann. Das Gedicht beschreibt das Individuum in seiner Beziehung zur Natur und in seiner einzigartigen Fähigkeit, über diese Beziehung nachzudenken. Die Sprache ist klassisch und verwendet Bilder, die die Ewigkeit und Schönheit der Natur hervorheben und gleichzeitig die Isolation des Menschen verdeutlichen.
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Lizenz und Verwendung
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