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Der Liebestempel

Von

O, ihre Liebe war ein stolzer Bau –
Der Freude Flagge weht′ auf seinen Zinnen,
Und Kränze, feucht von süßer Thränen Thau,
Sie schmückten ihn von außen und von innen.

Vertrauen, stärker noch als Marmorstein,
Als Säule trug die Kuppel in der Mitten,
Das Fenster prangt′ im reinsten Demantschein,
Aus ächter Treue festem Stoff geschnitten.

Und süßes, heitres Himmelslicht ergoß
Des Herzens Reinheit durch die klare Scheibe,
Wie Heil′genschein sein Inn′res ganz umfloß,
Was Liebe Gutes, Schönes weckt im Weibe.

So stand gebaut er für die Ewigkeit;
Weh′ daß das Heut′ ihn schon in Trümmern findet –
Ihn stürzte nicht die allgewalt′ge Zeit,
Ach, nein! er war auf losen Sand gegründet!

Er selbst hat ihn gebrochen und zerstört,
Den stolzen Bau, in dem sie ihn verehret,
Von seiner eignen Schwäche überthört,
Hat er ihn selbst mit frevler Hand verheeret.

Erst sank die Flagge von der Kälte Hauch,
Die Kränze welkten bei der Launen Spiele,
Die Säule bröckelte am Ende auch –
Im Staub erst, sah ihr Glaube sich am Ziele.

Die Treue nur prangt noch im Demantschein,
Kann sie so schnell den theuren Tempel lassen?
Der Gram wie bleiches Mondlicht fällt hinein
Und findet nirgends, nirgends Raum zum Hassen! –

Wer weiß, wenn er dereinst die Straße geht
Und ihres Baues Trümmer vor ihm ragen,
Ob dann voll Trauer er nicht stille steht,
Voll bitt′rer Reue, daß er ihn zerschlagen!

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Gedicht: Der Liebestempel von Luise Büchner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Liebestempel“ von Luise Büchner ist eine Metapher für das Scheitern einer großen Liebe. Es beschreibt den Aufbau, die Pracht und schließlich den Zusammenbruch eines „stolzen Baues“, der symbolisch für die Beziehung des lyrischen Ichs steht. Die Verwendung architektonischer Bilder – Zinnen, Kränze, Kuppel, Fenster, Säule – verleiht der Liebesbeziehung eine erhabene und beständige Qualität, die jedoch durch die abschließende Erkenntnis der Vergänglichkeit konterkariert wird.

In den ersten beiden Strophen wird die Liebe idealisiert dargestellt. Sie ist ein „stolzer Bau“, geschmückt mit Freude und Tränen, mit Vertrauen als tragender Säule und Treue als Fenster. Die „Kränze, feucht von süßer Thränen Thau“ deuten bereits subtil auf die Dualität der Liebe hin: Freude und Schmerz gehen Hand in Hand. Das Licht, das durch das Fenster scheint, steht für die Reinheit und die guten Eigenschaften, die die Liebe im Herzen der Frau weckt. Diese Beschreibung erzeugt ein Bild von Vollkommenheit und Ewigkeit, das jedoch durch die folgende Beschreibung der Zerstörung schmerzlich relativiert wird.

Die zentrale Aussage des Gedichts ist die Selbstzerstörung der Liebe. Der Mann, der den Tempel verehrt, ist auch derjenige, der ihn zerstört. Die Ursache liegt in seiner „eignen Schwäche“. Die Zeit, die normalerweise alles zerstört, ist hier nicht der Verursacher des Untergangs. Es sind seine Launen und sein Verhalten, die zuerst die äußeren Zeichen der Liebe – die Flagge, die Kränze – und schließlich die tragende Säule des Vertrauens zerstören. Diese Wendung hebt die Verantwortung des Mannes für das Scheitern der Beziehung hervor.

Die letzten Strophen thematisieren die verbleibende Trauer und Reue. Nur die Treue der Frau bleibt erhalten, wie ein Diamant, der im Kontrast zu den Trümmern steht. Der Gram, der in das Innere des Tempels dringt, findet keinen Platz für Hass, was die Größe der Frau unterstreicht. Die abschließenden Zeilen lassen eine mögliche zukünftige Einsicht des Mannes erahnen: Er wird vielleicht die zerstörerische Tat bereuen, wenn er die Überreste der Liebe sieht. Das Gedicht endet somit mit einem Gefühl des Verlustes und einer Mahnung, die eigenen Handlungen in der Liebe zu überdenken.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.