Der letzte Graf von Brederode entzieht sich türkischer Gefangenschaft
Sie folgten furchtbar; ihren bunten Tod
von ferne nach ihm werfend, während er
verloren floh, nichts weiter als: bedroht.
Die Ferne seiner Väter schien nicht mehr
für ihn zu gelten; denn um so zu fliehn,
genügt ein Tier vor Jägern. Bis der Fluß
aufrauschte nah und blitzend. Ein Entschluß
hob ihn samt seiner Not und machte ihn
wieder zum Knaben fürstlichen Geblütes.
Ein Lächeln adeliger Frauen goß
noch einmal Süßigkeit in sein verfrühtes
vollendetes Gesicht. Er zwang sein Roß,
groß wie sein Herz zu gehn, sein blutdurchglühtes:
es trug ihn in den Strom wie in sein Schloß.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der letzte Graf von Brederode entzieht sich türkischer Gefangenschaft“ von Rainer Maria Rilke erzählt von einem Grafen, der sich in höchster Not der Gefangenschaft entzieht. Die ersten Verse beschreiben die Verfolgung durch die türkischen Verfolger, die den Tod in ihren farbenfrohen Insignien tragen. Der Graf ist auf der Flucht, „nichts weiter als: bedroht“. Die ursprüngliche Bedeutung der Abstammung, die Ferne seiner Väter, scheint in diesem Moment zu verblassen, da er sich der Gefahr durch Flucht entzieht, was ihn auf eine Ebene mit Tieren reduziert.
Der zweite Teil des Gedichts beschreibt, wie der Graf einen entscheidenden Entschluss fasst, als er einen Fluss erreicht. Dieser Entschluss hebt ihn und seine Not an, und er wird zu einem Knaben fürstlichen Geblütes, was auf einen Neuanfang, eine Rückkehr zur ursprünglichen Identität hindeutet. Ein Lächeln adeliger Frauen, möglicherweise Visionen oder Erinnerungen, fließen in sein Gesicht ein, was ihm einen letzten Hauch von Süßigkeit und Vollendung verleiht, bevor er sein endgültiges Schicksal wählt. Dies deutet auf einen Moment der Reflexion und des Abschieds von weltlichen Freuden hin.
Die letzten Verse zeigen den Grafen, wie er sein Ross, „groß wie sein Herz“, in den Fluss lenkt. Dieses Bild symbolisiert den finalen Akt des Grafen. Das Pferd, als Spiegelbild seiner Seele, trägt ihn in den Fluss, in den Tod, wie in sein „Schloß“. Der Fluss wird hier zu einem Ort des Schutzes, aber auch des Untergangs, eine letzte Zuflucht, in der er seine Ehre bewahren kann.
Die Interpretation des Gedichts kann auf verschiedene Arten erfolgen. Es kann als eine Geschichte von Ehre, Stolz und dem Wunsch, sich der Demütigung durch die Gefangenschaft zu entziehen, gesehen werden. Es ist aber auch eine Geschichte über Verzweiflung und die Akzeptanz des Todes als letzten Ausweg. Rilkes Sprache ist bildhaft und voller Symbolik, und die kurzen Strophen verstärken die Dramatik und Intensität der Situation. Das Gedicht vermittelt ein Gefühl von Isolation und existentieller Entscheidung, wobei der Graf sich im Angesicht des Todes seiner Identität und Herkunft bewusst wird.
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Lizenz und Verwendung
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